In Litauen formiert sich eine hochdynamische Photonik-Industrie. Dr. Gediminas Račiukaitis, Präsident des Litauischen Laserverbandes und Leiter der Abteilung Laser Technologien im Zentrum für Physikalische Wissenschaften und Technologie (FTMC) hat den Aufstieg der stark exportorientierten Branche von Beginn an begleitet. Zu ihren Pionieren zählt Kestutis Jasiūnas, CEO des 1992 gegründeten Laserherstellers EKSPLA. Dessen Ultrakurzpuls-Laser sind rund um den Globus in Spitzenforschungseinrichtungen im Einsatz. Im Interview sprechen Jasiūnas und Račiukaitis über die wissenschaftlichen Wurzeln ihrer Branche, die steigenden Vielfalt an Lösungsanbietern über die gesamte Prozesskette hinweg – sowie über Messe-Gemeinschaftsstände als Hebel, um Litauen als innovativen Photonik-Standort bekannt zu machen.
Dr. Gediminas Račiukaitis: Wir repräsentieren Litauens Laser- und Optik-Community, zu der aktuell 54 vor allem kleinen und mittleren Unternehmen mit rund 1.300 Beschäftigten gehören. Die Hälfte von ihnen sind direkte Mitglieder, die andere Hälfte arbeitet nur punktuell mit uns zusammen. Wir agieren bisher als Interessenvertretung auf nationaler Ebene, weiten unseren Fokus aber auf die europäische Politik und auf internationale Themen aus. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Verbandsarbeit ist die Koordination zwischen Industrie und Forschung, sowie auch das Werben für photonische Lösungen bei potenziellen industriellen Anwendern im In- und Ausland. Letzteres immer erfolgreicher. Im Schnitt liegt die Exportquote unserer Unternehmen bei über 80 Prozent. Um Litauens Photonik-Industrie noch bekannter zu machen und auch kleineren Anbietern Gehör zu verschaffen, organisieren wir gemeinsame Auslandsbesuche und Gemeinschaftsstände auf internationalen Messen wie der LASER World of PHOTONICS. Wir haben in den letzten 15 Jahren große technologische Fortschritte gemacht, uns in industrielle Wertschöpfungsketten eingeklinkt und sind auf internationalem Expansionskurs. Dafür müssen wir gegen starke Wettbewerber bestehen. Um uns dafür strategische Klarheit zu verschaffen, legen wir aktuell eine Roadmap für die nächsten zehn Jahre auf.
Kestutis Jasiūnas: Unser Unternehmen wurde 1992 praktisch direkt nach Litauens Unabhängigkeit von der russischen Besatzung von acht Ingenieuren gegründet. Wir hatten Laser-Know-how und haben bereits im Jahr nach der Gründung den ersten Laser nach Japan verkauft. Ende der 90er Jahre haben wir 80 Prozent unserer Laser dorthin verkauft. Mit dieser Referenz konnten wir uns nach und nach auch in Europa und den USA Gehör verschaffen. Heute haben wir 140 Beschäftigte und streben 2022 rund 20 Millionen Euro Umsatz an – 25 Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Das lassen uns die Reaktionen des Marktes auf unsere jüngsten Entwicklungen vermuten: Auf große Resonanz stößt unser industrieller Femtosekunden-Laser, der rund um die Uhr wartungsfrei betrieben werden kann, sowie eine neue Reihe wissenschaftlicher abstimmbarer Laser mit unübertroffenem Abstimmbereich. Wir bieten zudem OPCPA-(Optical Parametric Chirped Pulse Amplification)-Laser an, also jene Technologie, für die unser Freund Prof. Gérard Mourou seinen Nobelpreis erhalten hat. Die Vorläufer dieser Laser wurden schon 1992 am Laserforschungszentrum der Universität Vilnius entwickelt.
Račiukaitis: Eine unserer Stärken sehe ich im Bereich der optischen Komponenten. Hier haben sich mehrere Anbieter etabliert, die modernste Bearbeitungs-, Politur- und Beschichtungsverfahren nutzen. Und eine besondere Stärke haben wir in der UKP-Technologie. Hier agieren wir mittlerweile absolut auf Augenhöhe mit den französischen, deutschen und US-amerikanischen Anbietern. Auf der letzten LASER haben wir mit Kollegen aus Frankreich gescherzt. „Was wir als Ideen im Kopf haben, habt Ihr in Litauen immer schon umgesetzt“, hat einer von ihnen gesagt. Auch wenn wir gelacht haben, war es ein schönes Kompliment, das uns zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Jasiūnas: Wenn Sie mich nach unserer größten Stärke fragen, antworte ich: Zusammenarbeit. Und zwar sowohl zwischen Wissenschaft und Industrie als auch zwischen Unternehmen, selbst wenn wir in direktem Wettbewerb zueinander stehen. Wir haben erkannt, dass wir uns im globalen Markt deutlich besser schlagen, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Wir befinden uns in einem technologischen Wettbewerb, aber wir helfen uns gegenseitig mit Kontakten, bündeln unsere Kräfte in gemeinsamen Entwicklungsprojekten und stehen auf Messeständen Schulter an Schulter. Unsere Innovationskraft rührt ganz sicher auch daher, dass die Wege kurz sind und wir zwischen Forschungsinstituten und Unternehmen einen ständiger Informationsaustausch pflegen. Fast ein Closed Loop – sie hören von uns, was im Markt gefragt ist. Wir lernen von Ihnen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und bekommen Unterstützung dabei, sie in unsere Produkte zu transferieren.
Račiukaitis: Ich stimme Kestutis zu. Fast alle Unternehmen sind Spin-offs aus Forschungsinstituten. Wir kennen einander und pflegen ein beinahe familiäres Miteinander. Die Wurzeln reichen oft bis tief in die Sowjetzeit zurück. Bereits in den 1960er Jahren haben litauische Studenten in Moskau mit Lasern experimentiert und das Know-how mitsamt den benötigten Komponenten hierher mitgebracht. In den 1970er Jahren gab es in Vilnius zwei starke Pole: das Institut für Physik und nur 20 km entfernt, besagtes Laserforschungszentrum der Universität Vilnius. Sie haben sich damals einen ständigen technologischen Wettbewerb geliefert und gegenseitig gepusht. Die zwei größten Laserhersteller sind als Ausgründungen dieser Institute gestartet: Light Conversion und EKSMA, der 1983 gegründete Vorläufer der heutigen EKSMA Optics und EKSPLA. Die effektivste Art, Energie zu generieren, ist ein Dipol. Das gilt auch für spezielle Innovationskraft unserer Branche.
Račiukaitis: Unsere Institut ist aktuell in vier Förderprojekte des europäischen Horizon-Programms involviert. Zwei davon befassen sich mit dem Aufbau digitaler Innovations-Hubs als Kompetenzzentren für Unternehmen, die sich über den Einsatz von Laserverfahren informieren oder diese konkret planen möchten. In den anderen geht es um LASER-Teilchenbeschleuniger. In diesen Projekten arbeiten wir eng mit europäischen Partnern zusammen. Zudem sind wir Gründungsmitglied des European Consortium for Research Infrastructures for Extreme Light Infrastructure (ELI ERIC), das zwei Laserzentren in Tschechien und Ungarn betreibt. In Ungarn sind modernste Hochenergie-Ultrakurzpuls-Lasersysteme im Einsatz, die wir übrigens zusammen mit EKSPLA und Light Conversion entwickeln: Ein konkretes Beispiel dafür, dass hier auch langjährige Wettbewerber zusammenarbeiten.
Jasiūnas: Wenn überhaupt, dann sind es nur noch Spurenelemente. Natürlich sind die physikalischen Grundlagen dieselben, aber technologisch hat sich so unglaublich viel getan, dass die Systeme nicht mehr vergleichbar sind. Parameter, Leistungsvermögen, Steuerungen haben nur noch sehr wenig mit den Lösungen in unserer Anfangszeit zu tun. Nach lange nach unserer Gründung gab es das Diktum, dass der Entwicklung mit dem Erreichen von Pikosekundenpulsen Genüge getan sei. Heute bewegen wir uns zu Forschungszwecken im Attosekunden-Bereich. Die Femto- und Picosekunden-Technik ist mittlerweile äußerst zuverlässig. Zugleich sehen wir in der Materialbearbeitung steigende Nachfrage nach längeren Pulsdauern zwischen 500 Pico- und zehn Nanosekunden.
Jasiūnas: Ein interessantes Forschungs- und Anwendungsfeld, in das wir verstärkt investieren, sind photoakustische Lösungen für die medizinische Diagnostik. Beispielsweise in der Brustkrebsvorsorge. Die bisherigen Mammographien empfinden Patientinnen als unangenehm, ihre Diagnostik ist zudem nicht besonders zuverlässig und die Strahlenbelastung ist hoch. Wir wirken in einem Förderprojekt mit, welches eine schmerz- und strahlenfreie photoakustische Methode auf Basis eines durchstimmbaren Nanosekunden-Lasers vorantreibt. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr ermutigend, gerade auch was die Zuverlässigkeit der Befunde betrifft.
Račiukaitis: Hier sehe ich einen unserer Schwachpunkte. Litauen hat – anders als Südkorea, Japan oder die Länder Westeuropas – nicht die großen industriellen Ankerinvestoren, um deren Fabriken sich ganze Zuliefer-Ökosysteme entwickeln. Hier werden bisher keine Automobile oder Halbleiterchips gefertigt. Wir sind auf der Suche nach inländischen Industriekunden, denen photonische Lösungen Mehrwerte verschaffen können.
Jasiūnas: Importiert werden in erster Linie Kristalle und technische Gläser. Bei den zugelieferten Komponenten für unsere Laser setzen wir dagegen auf die heimische Lieferkette. Wie Gediminas vorhin schon sagte, haben wir hervorragende Anbieter von optischen Komponenten im Land. Dass ihre Produkte im internationalen Wettbewerb absolut standhalten können, sieht man daran, dass unsere damit ausgestatteten Lasersysteme in Spitzenforschungsinstituten rund um den Globus gefragt sind. Zu unseren Kunden gehören das CERN, die NASA und ELI sowie diverse Max-Planck-Institute, die Cambridge University, das Massachusetts Institute of Technology oder auch die Japan University of Science. Unsere Litauische Lieferkette steht heute für Qualität auf höchstem internationalen Niveau.