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Gemeinsam mit dem niederländischen Technologiekonzern ASML und einem globalen Partnernetzwerk ist es Spezialisten der ZEISS Halbleitersparte Semiconductor Manufacturing Technology (SMT), von TRUMPF und dem Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF gelungen, die EUV-(Extreme Ultra Violett)-Lithographie zur Serienreife zu bringen. Nun ist das Team für den Deutschen Zukunftspreis 2020 nominiert. Team-Sprecher Dr. Peter Kürz ist bei ZEISS für die Entwicklung und Produkteinführung der nächsten Generation von EUV-Optiken verantwortlich. Im Interview berichtet er vom komplexen Entwicklungsprozess mit tausenden Spezialisten, faszinierenden technologischen Meilensteinen und dem Potential der EUV-Lithographie im digitalen Zeitalter.

© © Ansgar Pudenz
Dr. Peter Kürz

Herr Dr. Kürz, wie hat das EUV-Projekt für Sie persönlich angefangen?

Dr. Peter Kürz: Vor über 20 Jahren, 1999, habe ich bei ZEISS die Leitung des EUV-Programms übernommen. Erste Entwicklungen zur EUV-Lithographie hatte es bei uns bereits Mitte der 1990er Jahre gegeben. Im Jahr 1999 folgte die Entscheidung, gemeinsam mit unserem strategischen Partner ASML ein sogenanntes Alpha Demo Tool zu bauen – einen Prototyp für den Nachweis, dass sich die EUV-Technologie für die Serienproduktion in der Chipindustrie eignet. Wir haben damals mit einem Team von einigen Dutzend Mitarbeitern angefangen und haben die technologischen Grundlagen der EUV-Optiken erarbeitet: etwa die Spiegelbearbeitung, Messtechnik sowie das optische und mechatronische Design. Zudem ging es um Strategien zur Lebensdauerabsicherung der Optiken. Der Bau des ersten Optik-Prototypen hat dann mehr als sechs Jahre gedauert. Die ersten Wafer-Belichtungen mit unserer Optik in der ASML-Maschine starteten 2006. Das war eine sehr spannende Zeit.

Sie sprechen stellvertretend für ein Team. Wer sind die Beteiligten und welche Beiträge haben sie zur Entwicklung beigesteuert?

Kürz: ASML ist der einzige Hersteller von EUV-Lithographie-Maschinen weltweit und hat als Integrator die Architektur des Gesamtsystems und vor allem die EUV-Quelle entworfen. Schlüsselkomponenten der Maschinen sind der Hochleistungslaser für die EUV-Lichtquelle und das optische System. Diese kommen aus den Häusern ZEISS und TRUMPF: Zur Erzeugung des EUV-Lichts hat ASML zusammen mit TRUMPF eine einzigartige Lichtquelle entwi-ckelt. In der von ASML entwickelten Plasmaquelle werden 50.000 Zinn-Tropfen pro Sekunde in ein Hochvakuum geschossen und dort je zweimal von Pulsen eines Hochleistungs-CO2-Lasers von TRUMPF getroffen. So wird Zinn-Plasma gezündet, das die EUV-Strahlung emit-tiert. Da EUV-Licht von allen Materialien und sogar von Luft absorbiert wird, haben wir bei ZEISS ein vollständig aus Spiegeln aufgebautes, in Hochvakuum betriebenes optisches System entwickelt. Die Anforderungen an die EUV-Spiegel sind extrem: Sie müssen mit atomarer Präzision gefertigt und beschichtet werden. Die reflektierenden Beschichtungen bestehen aus mehr als 100 Einzelschichten mit einer Schichtdicke von wenigen Nanometern. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung spielte unser Partnernetzwerk aus Industrie und Wissenschaft. Gerade die Fraunhofer Gesellschaft hat wesentliche Beiträge zur Entwicklung der EUV-Schichten geleistet. Insgesamt waren über die Jahre tausende Entwickler an dem Projekt beteiligt.

Gab es entscheidenden technologische Meilensteine auf dem Weg zur Serienreife?

Kürz: Nach dem Bau des Alpha Demo Tools haben wir die EUV-Lithographie mit ASML und unseren Partnern über mehrere Generationen vor EUV-Scannern und optischen Systemen bis zur Serienreife entwickelt. Wichtige Meilensteine waren das erste Optiksystem mit einer nu-merischen Apertur von 0,33 für die NXE:3300 Maschine im Jahr 2012 sowie das erste EUV-Serientool NXE:3400 fünf Jahre danach. Die Serienproduktion in der Chipindustrie startete 2018. Seit Herbst 2019 können Sie erste Smartphones mit Mikrochips kaufen, die per EUV-Lithographie hergestellt werden. Dieser Erfolg wird sich definitiv fortsetzen. Wenn Sie dem-nächst ein Highend-Smartphone kaufen, wird darin ein EUV-Chip verbaut sein.

Heute ermöglicht die EUV-Lithographie 10 Milliarden Transistoren auf der Fläche eines Fingernagels. Gab es im Entwicklungsprozess Momente des Zweifels an der Machbarkeit?

Kürz: Es gab in den letzten 20 Jahren mehrere Kandidaten für die „Next Generation Lithogra-phy“, so etwa Elektronenstrahl- oder Ionenstrahlverfahren oder der Wellenlängenschritt von 193 auf 157 Nanometer. Trotz großer Anstrengungen führte keiner dieser Ansätze zum Erfolg. Stattdessen hat die Industrie das Potenzial der 193 nm-Technologie ausgereizt; unter anderem durch den Einsatz von Wasser als Immersionsflüssigkeit und mit Mehrfachbelichtungsver-fahren. Dieser Weg stößt bei der Herstellung noch kleinerer Strukturen an technische und ökonomische Grenzen. Durchgesetzt hat sich nun die EUV-Lithographie. Auf dem Weg zur Serienreife gab es einige Höhen und Tiefen. So war und ist die Spiegelmesstechnik eine enorme Herausforderung. Es geht hier um Sub-Nanometer-Spezifikationen. Derartige Genauigkeiten erfordern extrem präzise Messtechnik. Für die nächste Generation der EUV-Optiken vermessen wir unsere Spiegel in Vakuumröhren mit fünf Metern Durchmesser. Der Aufwand ist gewaltig. Aber nur so ist die notwendige Messgenauigkeit zu erreichen. Ein zentraler Beitrag auf dem Weg zur Serienreife waren zudem die Fortschritte bei der EUV-Quelle. Für Chiphersteller lohnt sich der Einsatz erst ab einem Mindestdurchsatz von 125 belichteten Wafern pro Stunde. Noch 2014 waren es mit der EUV-Lithographie nur zehn Wafer pro Stunde. Nun ist es gelungen, den stündlichen Durchsatz auf über 170 Wafer zu steigern – der Durchbruch in puncto Wirtschaftlichkeit.

Wie ist die Sub-Nanometerpräzision der Spiegel fertigungs- und messtechnisch umsetzbar?

Kürz: Mit unseren EUV-Optiken sind Strukturen im Bereich von unter 10 nm machbar. Eine so präzise Abbildung stellt extreme Genauigkeitsanforderungen an die Spiegel. Würden Sie einen unserer EUV-Spiegel auf die Größe Deutschlands skalieren, wären die größten Abweichungen von der Soll-Form nur 0,1 mm hoch. Das sind die präzisesten Spiegel der Welt. Mit Herstellung und Vermessung dieser Spiegel befassen sich bei ZEISS über 1000 Wissenschaftler und Technologen. Wir setzen Roboter für das Polieren ein und korrigieren die Oberfläche mit Ionenstrahlen. Die Vermessung der nächsten Genration von EUV-Optiken erfolgt wie erwähnt im Vakuum, um Störungen durch Luftschlieren oder durch akustische Schwingungen zu vermeiden. Um einen Spiegel dieser neuesten Generation herzustellen, benötigen wir mehr als ein Jahr. Daneben sind auch die mechanischen Anforderungen an das optische System extrem. Die EUV-Spiegel müssen absolut stabil stehen. Die Kippstabilität dieser Spiegel lässt sich ebenfalls mit einem Vergleich verdeutlichen. Die Aktuatoren und Sensoren in der ZEISS Projektionsoptik arbeiten so präzise, dass man mit einem über diese Spiegel umgelenkten Laserstrahl einen Golfball auf der Mondoberfläche träfe – also über eine Entfernung von fast 400.000 km.

30-kW-Laser verdampfen mit 100.000 Pulsen pro Sekunde Zinntropfen zu 220.000°C heißem Plasma, das Licht mit 13,5 nm Wellenlänge emittiert. Solche Extreme werfen Fragen zur Zuverlässigkeit und Lebensdauer der EUV-Systeme auf. Gibt es dazu bereits Erkenntnisse?

Kürz: Auch hier gab es zuletzt sehr deutliche Fortschritte. Neben der Steigerung der Quellenleistung waren sie für den Durchbruch der EUV-Lithographie entscheidend. ASML kürzlich auf einer Konferenz für die Verfügbarkeit der Gesamtmaschine zur Chipproduktion Werte von 90 Prozent gezeigt. Für die EUV-Optiken sind hierbei zwei Faktoren maßgeblich: Oxidation und Kontamination der optischen Flächen. Zur Vermeidung der Oxidation hat ZEISS spezielle Schutzschichten entwickelt. Die Kontamination der Spiegel durch Kohlenstoff wird durch den Betrieb im Hochvakuum minimiert. Zudem haben wir mit ASML eine innovative Insitu-Reinigungsstrategie entwickelt. So war es möglich, die Lebensdauer der EUV-Optiken gemäß den Anforderungen der Halbleiterindustrie zu verlängern.

Wegen des riesigen Aufwands gab es lange Zweifel an der EUV-Lithographie. Nun gibt Ihnen der Erfolg recht. Was sind die zentralen Vorteile Ihres Verfahrens für die digitale Zukunft?

Kürz: Die Auflösung des optischen Systems skaliert mit der Lichtwellenlänge – und mit ihr die Dimension der herstellbaren Halbleiterstrukturen. Bisher wurden die kleinsten Strukturen per 193-nm-Immersionlithographie hergestellt. Der Sprung auf 13,5 nm eröffnet das Potenzial, die Transistor-Dichte auf den Chips um mehr als den Faktor 10 zu steigern. Das ist eine enorme Verbesserung. Hinzu kommt die hohe Produktivität der EUV-Technologie mit über 170 Wafern pro Stunde. Und schließlich ist die „Ähnlichkeit“ mit der bisher eingesetzten optischen Lithographie von Vorteil, da sie die Umstellung der Prozesse und der Infrastruktur in den Chipfabriken erheblich erleichtert.

Lässt sich der Impact der EUV-Lithographie für die beteiligten Akteure quantifizieren?

Kürz: Die Entwicklung der EUV-Lithographie ist eine europäische Erfolgsgeschichte. Hierzu hat die starke Stellung der photonischen Technologien in Deutschland massiv beigetragen. Zusätzlich ist das geballte Knowhow eines Hochtechnologie-Netzwerks aus über 1200 Zuliefe-rern, Universitäten und Forschungsinstituten eingeflossen. Entscheidend war das Durchhaltevermögen der beteiligten Firmen und auch die Begleitung und Förderung der Entwicklung durch zahlreiche deutsche und europäische Förderprojekte, wobei die Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hervorzuheben ist. So entstand eine durch mehr als 2.000 Patente abgesicherte Zukunftstechnologie der Superlative. Entsprechend groß ist die wirtschaftliche Bedeutung für die Halbleiterindustrie wie auch für die beteiligten Firmen: Die EUV-Entwicklung bei ZEISS startete 1995 mit einer Handvoll Mitarbeiter. Bis heute sind über 2.300 Hochtechnologie-Arbeitsplätze entstanden. Eine ähnliche Entwicklung gab es bei TRUMPF, wo heute rund 730 Mitarbeiter an der Entwicklung und Produktion des Hochleistungslasers arbeiten. ZEISS und TRUMPF erzielten 2019 in ihren EUV-Geschäftsfeldern zusammen weit über eine Milliarde Euro Umsatz und das kann 2020 nochmals deutlich gesteigert werden. Die Zukunftsaussichten sind glänzend. Aktuell arbeiten bei ZEISS schon mehr als 1.000 Mitarbeiter an der Entwicklung und Produktion der nächsten Generation von EUV-Optiken. Die EUV-Technologie bietet auf viele Jahre hinaus die Perspektive, Halbleiterstrukturen weiter massiv zu verkleinern – im Sinne einer energieeffizienteren, leistungsfähigeren und auch wirtschaftlich erfolgreichen Digitalisierung.