In Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI) können multisensorische Ansätze Wege zur fehlerfreien Lasermaterialbearbeitung ebnen. Das Zusammenspiel verschiedener Sensoren deckt Fehler und Abweichungen schneller und zuverlässiger auf.
Fertigungsfehler sind umso teurer und ärgerlicher, je später sie in der Prozesskette auftreten. Denn mit jedem Fertigungsschritt steigt der Produktwert – ob Automobil, Batteriezelle, Wafer voller Mikrochips oder aufwendig geschliffene und beschichtete Highend-Optiken. Und bleibt ein Fehler bis zur Auslieferung unerkannt, drohen Unfälle, Rückrufe und Imageschäden.
Entsprechend setzen viele Branchen auf engmaschige Qualitätskontrollen und immer öfter auf Inline-Prozessüberwachung. In vielen Fällen dienen die Maßnahmen allerdings nur dazu, fehlerhafte Teile zu erkennen, sie aus dem Prozess zu nehmen und – sofern möglich – einer Nachbearbeitung oder Reparatur zuzuführen. Das könnte sich ändern, wenn es gelingt, den Sensorsignalen und -daten der Inline-Überwachung in Echtzeit relevante Informationen über abweichende Prozessparameter und die Ursachen schwankender Qualität zu entlocken. Die Vision einer First-Time-Right-Produktion oder eines Zero-Defect-Manufacturing wird greifbar. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: Der exponentielle Anstieg von Rechenleistungen und Datenübertragungsraten ebnet den Weg für multisensorische Ansätze, welche wiederum die nötige Datenbasis schaffen, um mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) tatsächlich relevante Informationen für ein kontinuierliches Nachregeln qualitätsentscheidender Prozessparameter aus den heterogenen Sensordaten zu filtern.
Alle drei Faktoren sind wichtig. Denn wenn beispielsweise Laserschweißprozesse oder die Bauprozesse in der additiven Fertigung multisensorisch überwacht werden, fallen schnell viele Terabytes an Daten an. Im Zusammenspiel von hochauflösenden und teils Highspeed-Kameras, multi- und hyperspektraler Sensorik, von Pyrometern, Fotodioden, akustischen Sensoren, interferometrischen Ansätzen und optischer Kohärenztomographie (OCT) sowie der Nachverfolgung der Laserleistung und Scanneroptiken liegt der Schlüssel zum tieferen Prozessverständnis. Um diesen Schlüssel nutzen zu können, gilt es, alle erhobenen Daten zeitlich zu synchronisieren – und sie anschließend mithilfe von vorab trainierten Algorithmen auf definierte Fehlerklassen hin zu durchsuchen. Durch den Einsatz der unterschiedlichen Sensoren fallen Abweichungen vom Soll nicht nur schneller auf, sondern sie lassen sich im Abgleich der synchronisierten Sensordaten auch unmittelbar verifizieren.
Ging es in der Inline-Prozessüberwachung bisher darum, Fertigungsmängel nach ihrem Auftreten anhand festgelegter Symptome zu detektieren, rückt nun ein anderes Interesse in den Vordergrund: Anbieter und Anwender von Lasermaterialbearbeitungsprozessen wollen Fehlerursachen im Detail ergründen und deren Gesetzmäßigkeiten erkennen, um mit diesem Wissen in laufenden Prozessen gegensteuern zu können. Das setzt neben dem Einsatz der unterschiedlichen Sensoren eine leistungsfähige Infrastruktur zur Echtzeit-Synchronisierung, -übertragung und -auswertung der Mess- und Kameradaten voraus. Diese werden nicht nur in verschiedenen Formaten, sondern in der Regel auch in unterschiedlicher Frequenz, teils bis in den Kilohertz-(kHz)-Bereich erhoben. Für ein wirklich wirksames Prozessmonitoring ist allerdings nicht nur das zeitliche Synchronisieren der Daten erforderlich. Um Sensorsignale deuten zu können, müssen relevante Signale zuverlässig von prozessbedingtem Rauschen unterschieden werden. Und es bedarf systematischer Sensitivitätsanalysen der einzelnen sensorischen Ansätze.
So zeigt beispielsweise der Aachener Forscher Emil Duong in seiner Dissertation über die multisensorische Prozessüberwachung der Laser Powder Bed Fusion (LPBF), wie sich im Zusammenspiel jeweils unterschiedlicher optischer und akustischer Sensoren ein wirksames Monitoring additiver Fertigungsprozesse realisieren lässt. Zugleich zeigt die Arbeit, dass die multisensorische Prozessüberwachung längst im Markt ankommt. Alle führenden Anbieter von AM-Anlagen nutzen sie; obschon sich ihre Lösungen im Detail unterscheiden. Manche setzen auf Pyrometer, andere auf Photodioden für NIR- und sichtbare Spektralbereiche, auf Körperschallsensoren oder sCMOS-Kameras. Das Ziel ist jeweils dasselbe: Mehr Kontrolle über die laserbasierten Schichtbauprozesse. Die Sensordaten fließen in Emissionskarten zusammen und lassen sich mit mitgelieferter Software im Detail auswerten.
Duong liefert in seiner Mitte 2023 vorgelegten Arbeit nicht nur einen aktuellen Überblick über die Marktpenetration der multisensorischen Ansätze. Sondern er zeigt, wie sehr das Thema Forschende in aller Welt umtreibt. In Labors war Sensorfusion schon vor dem Durchbruch von generativer KI und großen Sprachmodellen gang und gäbe. Forschende überwachen mit NIR-Sensoren die Stabilität des Schmelzbades und ergründen die Bildung winziger Poren, sie setzen Kameras für die Kontrolle von Bauplattform und Pulverbett ein und verfolgen mit Thermografie-Kameras die Hitzeentwicklung und das Abkühlverhalten der AM-Bauteile im laserbasierten Schichtbauprozess. Auch optische Mikrofone und Körperschallsensoren sind im Einsatz. Ihre Signale geben Aufschluss über die Prozessstabilität und deutliche Hinweise auf Abweichungen. Zur Auswertung sind Methoden des maschinellen Lernens gesetzt.
Diesen Einblick in die Forschung hat der AKL – International Laser Technology Congress 2024 in Aachen klar widergespiegelt. In vielen Vorträgen und Diskussionen war es greifbar, wie sehr Digitalisierung und KI schon jetzt die Wertschöpfung und Geschäftsmodelle in der Photonik beeinflussen, wie verbreitet der KI-Einsatz in der Prozessüberwachung bereits ist – und welche Dringlichkeit in dieser Entwicklung steckt. Quintessenz: Der Zugang zu Daten und die Fähigkeit, mit KI Mehrwerte daraus zu ziehen, ist schon jetzt gleichbedeutend mit Wettbewerbsvorteilen. Es geht darum, wer die Photonikmärkte der Zukunft kontrollieren wird. Wenn Anbieter von photonischer Hardware nicht schnell handelten, drohe die Kontrolle an Softwarekonzerne überzugehen, die Laser quasi als Commodity in übergreifende digitale Fertigungsplattformen einbinden und die Wertschöpfung konsequent in Richtung digitaler Services verlagern. Doch vom AKL’24 ging auch eine überaus positive Botschaft aus: Das Gros der zahlreich teilnehmende LASER-Aussteller hat die Zeichen der Zeit längst erkannt. Ob TRUMPF, COHERENT, Precitec, Blackbird Robotersysteme, Scansonic, 4D Photonics oder XARION Laser Acoustics – sie alle machen sich die Möglichkeiten und das Potenzial von KI längst zunutze – und verschaffen ihrer Kundschaft damit echte Mehrwerte.