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„Unsere Lösungskompetenz basiert auf tiefem Prozessverständnis“

Als Anbieter von Präzisions-Optiken mit einer Vielzahl an modernen Beschichtungsanlagen im eigenen Haus – darunter Anlagen für das Magnetron- und Ionenstrahl-Sputtern, das thermische und ionengestützte Elektronenstrahl-Verdampfen – hat sich LAYERTEC seit der Gründung 1990 zu einem global führenden Optikhersteller mit 400 Beschäftigten entwickelt. Gründer Dr. h.c. Hartmut Heyer, der weiter zur Leitung des Unternehmens gehört, gibt im PHOTONICS-Interview tiefe Ein- und Ausblicke in die technologische und wirtschaftliche Entwicklung des Marktes für optische Hochleistungskomponenten und -beschichtungen.

Glückwunsch zur Ehrendoktorwürde! Wie schon der Ernst-Abbe-Preis im Jahr 2022 gilt diese Ehrung Ihrem unternehmerischen und wissenschaftlichen Schaffen. Was bedeutet sie Ihnen?

Dr. Hartmut Heyer: Ein Doktortitel stand für mich nie im Vordergrund. Mir war eigentlich immer das Weiterkommen in der Sache selbst wichtiger. Ich bin am Physikalischen Institut der Universität Jena früh in die praktische Technologieentwicklung eingestiegen und hatte schnell einen festen Stamm an Kunden aus Hochschulen und der Industrie, die bei uns Laseroptiken bestellt haben. Von ihnen habe ich viel Anerkennung bekommen. Die Ehrendoktorwürde ist eine besondere Wertschätzung meiner Arbeit und mir deshalb sehr wichtig.

Ihre Beiträge zur Magnetron-Sputtertechnik zum Beschichten von Laseroptiken gelten als bahnbrechend – und waren die Basis für den anhaltenden Erfolg Ihrer 1990 gegründeten LAYERTEC GmbH. Können Sie uns gedanklich in die Anfänge kurz nach Wende mitnehmen?

Heyer: Es gab in der DDR ja praktisch keinen unternehmerischen Mittelstand. In Jena gab es ZEISS als Großunternehmen mit eher starren Strukturen. Spezielle lasertechnische und optische Lösungen waren kaum zu beschaffen. Die Universitäten haben daher Technika eingerichtet, in denen sie solche Lösungen selbst entwickelt und in kleinem Rahmen auch für die Industrie hergestellt haben. Ich war schon in den 1980er Jahren in Jena Forschungsingenieur für die Herstellung optischer Schichten und habe mich auf die Sputtertechnik spezialisiert. Damit hatte ich schnell Kundschaft – darunter ZEISS. Das Magnetron-Sputtern war damals ganz neu. Anders als etablierte Verdampfungsverfahren basiert es auf einem Plasmaprozess: Schwere Edelgasionen aus dem Plasma werden zu einer Kathode – wir sprechen vom Sputtertarget – beschleunigt, aus dem sie beim Auftreffen Metallatome herausschlagen. Diese bilden dann die eigentliche Schicht. Für transparente Schichten wird Sauerstoff zugegeben, mit dem die Metallatome bei der Schichtbildung auf der Substratoberfläche (der zu beschichtenden Optik) reagieren und Oxidschichten bilden. Seine praktische Bedeutung bekam das Sputtern erst durch die Einführung von Magnetron-Sputterquellen: Das zusätzliche Magnetfeld verstärkt die Plasmaentladung deutlich, was höhere Beschichtungsraten ermöglicht und das Sputtern überhaupt erst für transparente optische Schichten praktikabel – und wirtschaftlich macht.

Wie kam es dazu, dass Sie in der DDR so früh in diese Technologie eingestiegen sind?

Heyer: Wir zählten zu den Pionieren. Vom Institut Manfred von Ardenne bekamen wir 1983 die erste Magnetron-Sputterquelle, die dem internationalen Entwicklungsstand entsprach. Damit haben wir eine vorhandene Sputteranlage umgerüstet und damit angefangen, Einfachschichten herzustellen und zu optimieren. Die Anlage hatte vier Sputterquellen, was es uns im Lauf der Zeit ermöglichte, auf Basis von verschiedenen Einfachschichten erste Vielschichtsysteme herzustellen. So haben wir 1984 erste Helium-Neon-Laserspiegel hergestellt, die auf Anhieb eine Reflexion von 99,96 Prozent hatten. Das war im Vergleich zu bedampften Spiegeln ein hervorragender Wert. Mit diesen gesputterten optischen Vielschichtsystemen bekamen wir schnell die Aufmerksamkeit führender Forschungseinrichtungen – darunter das Laserlabor der Universität Jena, das Physikalisch-Technische Institut Jena oder auch das Zentralinstitut für wissenschaftlichen Gerätebau in Berlin.

Wie kam es dann zur Gründung?

Heyer: Wir hatten schon vor der Wende gewitzelt, dass wir mit der Technologie eigentlich ausgründen müssten – was aber politisch nicht ging. Aber was blieb: Unsere gesputterten Schichtsysteme waren sehr stabil gegenüber Umwelteinflüssen, hatten minimale optische Verluste – und es gab Nachfrage. Als 1989 die Wende kam, begann ich sofort, die Ausgründung voranzutreiben. Das Institut hat mich dabei unterstützt. Ich konnte die Sputteranlage und Laboreinrichtungen übernehmen. Gemeinsam mit einem begnadeten Techniker, der die Anlage in- und auswendig kannte, und einem Doktoranden ging es dann los. Erste Förderprojekte, erste Kontakte zu LASEROPTIK in Hannover, die uns so manche Kunden vermittelt haben, für deren Anforderungen unsere Sputtertechnik in Frage kam. So bekamen wir erste wertvolle Industriekontakte. In einem Projekt ging es darum, für eine stabile Prozessführung beim Laserschweißen die exakte Laserleistung nachzuverfolgen. Als Maß für die Laserleistung sollte ein Detektor hinter dem hochreflektierenden Resonatorspiegel das wenige hindurchtretende Licht messen. Es zeigte sich, dass das erst mit unseren umweltstabilen, gesputterten Schichten möglich war. Das zeigte uns, dass wir technologisch in westlichen Märkten mithalten konnten. Für uns war das eine große Ermutigung. Dieses Projekt hat uns übrigens über Umwege zu TRUMPF geführt, mit denen wir seither ebenfalls eine gute Beziehung haben.

Wie haben sich Beschichtungstechnologien seither entwickelt?

Heyer: Als wir anfingen, steckten sputterbasierte Beschichtungsverfahren noch in den Kinderschuhen. Heute sind sie allgegenwärtig – und eine wichtige Alternative zur Bedampfungstechnik. Beide haben ihre Stärken. Die Schichtbildung ist ein komplexer, chemisch und physikalisch beeinflusster Prozess. Die Stöchiometrie und Struktur der Oxidschichten hängen direkt von der kinetischen Energie und den Anregungszuständen der schichtbildenden Teilchen im Plasma ab. In Highend-Anwendungen sind glatte strukturlose Schichten wichtig, denn an gröberen Strukturen streut das Licht. Die gesputterten stöchiometrischen, sehr dichten Oxidschichten minimieren dagegen die Absorption und Streuverluste. Anders als bei der thermischen Verdampfung lassen sich diese Parameter im Plasmaprozess besser steuern, was uns Möglichkeiten zur Schichtoptimierung eröffnet. Hier sind wir über die Jahre immer besser geworden.

In welchen Einsatzfeldern sind Beschichtungstechnologien in besonderem Maße gewachsen?

Heyer: Insbesondere hat die rasante Entwickelung der Lasertechnik immer neue Forderungen an die Beschichtungen gestellt. Die Spiegel dürfen auch bei höchsten CW-Leistungen nicht heiß werden und ständig zunehmende Pulsleistungsdichten dürfen die Spiegel nicht zerstören. Laseroptische Geräte und Messsysteme werden immer genauer und komplexer, was immer höhere Forderungen an die spektrale Genauigkeit und Stabilität der Bauteile stellt. Generelle Markttreiber waren die Luft- und Raumfahrt sowie der Verteidigungssektor. So brauchte man für Laserkreisel, die zur Navigation von Raketen im Einsatz sind, Spiegel mit kleinsten Verlusten und höchsten Reflexionen. Dafür wurde in den USA das Ionenstrahlsputtern entwickelt. Auch der Siegeszug der optischen Datenübertragung im Telekommunikationsbereich, der bei Filtern Maßstäbe an Genauigkeit und Stabilität gesetzt hat, war für die Technologieentwicklung von großer Bedeutung: etwa hochstabile, nanometergenaue optische Wellenlängenfilter zur Abgrenzung der optischen Kanäle.

Worin sehen die größten Herausforderungen an optische Beschichtungen?

Heyer: Das ist schwer zu benennen. Sie finden immer Anbieter, die über 99,999 Prozent Reflexion oder besonders glatte, streulichtarme Substrate oder besonders dichte Schichten realisieren können. Doch es geht in vielen Anwendungen darum, den optimalen Kompromiss zu finden, um widerläufige Anforderungen an ein hoch spezifisches, kundenindividuelles Bauteil erfüllen zu können. Dazu ist es gut, die verschiedensten Kompetenzen im eigenen Hause zu haben - neben der Beschichtung auch eine eigene Optikfertigung sowie fertigungsbegleitende Bereiche wie die Messtechnik, Konstruktion, Mechanik, Elektrik und Elektronik. Das verschafft uns das nötige Prozessverständnis, um Lösungen für hochspezifische Anforderungen zu entwickeln. Teils geht es um Ebenheiten im Nanometerbereich und das Einhalten von Parametern, die im Widerspruch zueinanderstehen. Das Gesamtpaket aus Reflektion, Ebenheit, Dichte, Sauberkeit, Damage-Festigkeit und minimierter Absorption im ppm-Bereich muss stimmen, um in Hightech-Märkten bestehen zu können. Hinzu kommen die steigende Vielfalt an Pulsdauern, die Formenvielfalt der Optiken und das immer breiter aufgefächterte Spektrum der Wellenlängen in Laserprozessen von Extreme Ultraviolett bis tief in den Infrarot-Bereich. All das stellt ständig neue Herausforderungen an uns und unsere Forschung und Entwicklung. Zugleich ist es für uns das Salz in der Suppe! Denn dadurch werden unsere Erfahrung und unser Knowhow immer wichtiger.

Welche Rolle haben messtechnische Innovationen beim Fortschritt optischer Beschichtungen gespielt?

Heyer: Die Elektronik und Messtechnik haben seit den 1990er Jahren eine Revolution durchlaufen. Was wir heute mit Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik umsetzen, war seinerzeit undenkbar. Das optische Monitoring hat die Bedampfungstechnik immer präziser gemacht. Beim Sputtern sind wir heute in der Lage, so genannte Durchschläge im laufenden Betrieb zu unterbinden: Oxidschichten bilden sich nicht nur auf den Substraten, sondern auch an der Targetoberfläche, aus der wir die Metallatome lösen. Ladungsträger, die dort anlagern, können Spannungsdifferenzen erzeugen, die sich spontan entladen. Um diese Überschläge zu verhindern, wird der Prozess für Mikrosekunden unterbrochen, damit die Elektronen im Plasma die angelagerte Schicht von positiven Ladungsträgern entschärfen. Das ist dank moderner Halbleiter- und Messtechnik so präzise detektier- und steuerbar, dass wir sogar bereits beginnende Spannungsentladungen unterbinden können. Die Vernetzung der Beschichtungsanlagen und die Integration von Sensorik zum Nachverfolgen der Prozessparameter haben extrem geholfen, Sputter- und Bedampfungsverfahren auf den heutigen Stand zu bringen.

LAYERTEC gilt technologisch als TOP-Adresse. Wie schafft es ein Mittelständler mit 400 Beschäftigten, sich international dauerhaft im Spitzenfeld zu behaupten?

Heyer: Der Schlüssel ist – und auch hierfür spielt Messtechnik eine zentrale Rolle – reproduzierbare Qualität. Wenn wir Schichten mit weniger als ein Part per Million (1 ppm) Absorption anbieten, setzt das voraus, dass wir das auch messen können. Dafür haben wir ein Cavity-Ring-Down-(CRD)-Gerät, das die Lebensdauer des Lichts im Resonator misst, und darüber die Reflektion von dessen Spiegeln. Wir haben das Verfahren inhouse von einer einzelnen Wellenlänge auf einen Wellenlängenbereich ausgeweitet. So sind wir häufig vorgegangen. Wenn eine Technologie gut ist, aber unsere speziellen Anforderungen nicht gänzlich erfüllt, dann entwickeln wir sie selbst weiter. Daher kommt unser tiefes Prozessverständnis. Wir wollen verstehen, warum ein Prozess anders läuft, als wir uns das vorgestellt hatten – und wie wir das ändern können. Messtechnik ist der Schlüssel dazu. Wir wollen es immer so gut wie möglich machen und für unsere Kunden Probleme lösen, an denen sich andere Anbieter die Zähne ausbeißen. Solche Lösungen dann jederzeit in hohen Stückzahlen reproduzieren zu können, ist die eigentliche Herausforderung. Bisher ist es uns fast immer gelungen, sie zu meistern.

Der globale Wettbewerb nimmt auch in Ihrem Marktsegment stetig zu. Kann das anhaltende Wachstum der Photonik den Zuwachs an Wettbewerbern kompensieren?

Heyer: Natürlich gibt es auch in anderen Regionen der Welt – sei es in China oder im Baltikum – sehr gute Anbieter. Wir spüren, dass der Wettbewerb zunimmt. Aber der Markt für optische Beschichtungen ist sehr weit aufgefächert. Wir bewegen uns in Marktsegmenten, in denen wir höchste Anforderungen unserer Kundschaft erfüllen müssen – und können. Wir sind nicht die Billigsten. Aber was wir liefern, funktioniert in aller Regel vom Start weg zuverlässig. Kunden melden uns immer wieder zurück, dass es am Ende aufgrund des höheren Integrationsaufwandes oft teurer wird, kostengünstigere aber dafür weniger verlässliche Optiken einzusetzen. Letztlich trifft zunehmender Wettbewerb vor allem Anbieter, deren Produkte und Knowhow austauschbar sind. Wir haben einen anderen Anspruch. Durch unser tiefes Prozessverständnis können wir unseren Kunden nicht nur alle erdenklichen Optiken mit den für sie richtigen Beschichtungen anbieten – sondern darüber hinaus Lösungskompetenz. Und die wird in Zukunft angesichts des immer breiteren und spezifischeren Einsatzes von Photonik immer wichtiger.

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