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Metaoberflächen als Linsen- und Spiegelersatz

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF aus Jena hat auf der LASER eine mikrostrukturierte Metaoberfläche mit drei Dezimetern Durchmesser gezeigt. Die Technologie hat disruptives Potenzial.

„Bye bye, Linse. Hallo Metaoberfläche!“. So leitet das Fraunhofer IOF seine Pressemitteilung zu einem fertigungstechnischen Durchbruch ein, dessen Erzeugnis im Juni auf der LASER World of PHOTONICS 2023 zu sehen war: Eine Metaoberfläche von nahezu 30 Zentimetern (cm) Durchmesser, die das Forscherteam per Elektronenstrahllithografie flächendeckend mit maßgeschneiderten Resonatoren im Nanometermaßstab strukturiert hat. Aufgrund der sehr zeitaufwändigen Nanostrukturierung waren Metaoberflächen bisher selten größer als einige Quadratmillimeter.

© Fraunhofer IOF

Mit dem neuen Verfahren könnten Metaoberflächen für industrielle Anwendungen interessant werden. Etwa als flache, bauraumsparende Alternative zu voluminösen Linsen und Spiegeln. Während diese ihre optische Funktion – etwa das Bündeln, Lenken oder Streuen von Licht – nur dank ihrer makroskopischen Geometrie erfüllen können, lässt sich die optische Funktion der Metaoberflächen durch das Design ihrer Nanostrukturen jeweils anwendungsspezifisch festlegen. Deshalb sind sie herkömmlichen Optiken häufig nicht nur vom Bauraumbedarf her, sondern auch in ihrer optischen Funktion überlegen. Dank der per Design festlegbaren Licht-Struktur-Wechselwirkung wird beispielsweise eine angepasste wellenlängenabhängige Beugung möglich. Auch spezifische Absorptionseigenschaften, das polarisationsabhängige Verhalten der Metaoberflächen und nichtlineare optische Reaktionen, die zur Wellenlängenkonversion genutzt werden können, lassen sich computergesteuert in die Metaoberflächen einschreiben.

Präzision der Elektronenstrahllithografie wird großflächig nutzbar

Das IOF-Team um Prof. Uwe Zeitner aus dem Wissenschaftlichen Direktorium sowie Dr. Falk Eilenberger, Leiter der Abteilung für Mikro- und Nanostrukturierte Optiken, forscht seit Jahren an fertigungstechnischen Strategien, um die Elektronenstrahllithografie großflächiger nutzbar zu machen. Wie sehr der Teufel hierbei im Detail steckt, berichten sie in einem Paper, das im »Journal of Micro/Nanopatterning, Materials, and Metrology« erschienen ist. Im Prinzip sucht das Team Wege, um die sehr zeitaufwändige lithografische Strukturierung abzukürzen – und dabei auftretende Störeinflüsse auf die spätere Licht-Struktur-Interaktion zu minimieren.

© Fraunhofer IOF

Für die Strukturierung bringt das IOF-Team eingangs eine chrombasierte und eine fotosensitive Funktionsschicht auf einen Siliziumwafer auf. Nach der Belichtung lässt sich der unbelichtete Anteil der fotosensitiven Schicht abtragen. Das dabei entstehende nanometer-präzise Muster lässt sich dann per Trockenätzverfahren in die Chromschicht übertragen. Damit ist die Basis für die weitere Bearbeitung gelegt: Nachdem die stehengebliebenen Reste der fotosensitiven Schicht entfernt werden, dient die strukturierte Chromschicht Schablone – oder Hartmaske – für ein Ionenätzverfahren, das die hochpräzise Struktur auf die Wafer-Oberfläche überträgt. Sobald auch die verbliebene Chrommaske entfernt ist, ist die Siliziumstruktur als optisches Element nutzbar – oder sie kann als Urform für Replikationen genutzt werden.

Neue Belichtungsstrategie ist bis zu zehntausendmal schneller

Würden die Nanostrukturen auf einer 30-cm-Metaoberfläche am Anfang der beschriebenen Prozesskette Punkt für Punkt belichtet, würde das je nach Komplexität der Struktur Wochen oder sogar Monate dauern. Mit Blick auf industrielle Anwendungen sind sehr viel effizientere Belichtungsstrategien gefragt. Ein Ansatz dafür ist die so genannte Variable Shaped Beam-(VSB)-Belichtung mit der Strukturen auf Basis von Recht- oder Dreiecken jeweils blockweise belichtet werden. Pro Lichtimpuls lassen sich bis zu vier Quadratmikrometer (µm2) belichten, sofern das nanometerpräzise Positionieren der einzelnen Blöcke gelingt. Schließlich geht es um Strukturen im Nanometer-Maßstab, die mit nanometergenauen Abständen zueinander ins Substrat eingebracht werden müssen. Als zusätzliche Schwierigkeit kommt hinzu, dass beim Einbringen der Musterblöcke – analog zu den Fugen im Mauerwerk – die Bildung makroskopischer Superstrukturen droht. Weil diese einfallendes Licht beugen, sprechen die Forscher von „Diffraction Ghosts“.

Im Fachbeitrag erläutern sie, wie es ihnen durch eine spezielle Formgebung der Schablone im Character-Projection-(CP)-Belichtungsprozess gelungen ist, das periodische Auftreten der Beugungsgeister zu unterbinden. Letztlich gelang es dem Team damit, die Metaoberfläche im Weltrekordmaßstab per Elektronenstrahllithografie ohne die geisterhaften Superstrukturen zu fertigen. Zugleich erreicht das Fertigungsverfahren die nötige Strukturierungsauflösung im Nanometermaßstab sowie die benötigte Positionierungsgenauigkeit und Mustertreue. Da das Belichten per CP-Prozess zudem um einige Größenordnungen schneller als die Punktstrahl-Belichtung ist, sehen die Forscher zentrale Voraussetzungen für einen industriellen Einsatz von Metaoberflächen erfüllt. „Mit der Character-Projection lassen sich sehr hochaufgelöste Strukturen parallelisiert mit hoher Geschwindigkeit belichten“, erklärt Zeitner. Damit schickt sich das Verfahren dazu an, nanooptische Strukturen bis hin zu Elementgrößen von einigen hundert Quadratzentimetern Größe zu fertigen.

Disruptives Potenzial für ein breites Spektrum an Anwendungen

Im Paper zählt das Team ein breites Spektrum an potenziellen Anwendungen auf, das von Gittern für ultrakurze Laserpulse über hochauflösende Spektrometer und computergenerierte Hologramme für Asphärentests hin zu optischen Meta-Linsen oder zu UV-Polarisatoren mit lokal unterschiedlicher Ausrichtung reicht. Das disruptive Potenzial der Metaoberflächen ruht auch darin, dass es mit ihrer Hilfe möglich wird, optische Systeme deutlich dünner zu bauen. „Diese Technologie kann abbildende optische Systeme revolutionieren“, erklärt Eilenberger, da sie geringerem Bauraumbedarf mit einem Plus an optischer Funktionalität verbinde. Ihre Stärken dürften nanooptische Metaoberflächen überall dort ausspielen, wo auf wenig Raum große Ablenkwinkel gefragt sind: sei es in Virtual-, Mixed- und Augmented-Reality-Brillen, in Smartphones oder in miniaturisierten hochaufgelösten Spektroskopen.