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KI in einer Reihe mit Internet und Smartphone

Marktforschung und IT-Konzerne sind sich einig: Künstliche Intelligenz (KI) wird einen vergleichbaren Impact auf unser Leben haben, wie das Internet und das Smartphone. Die Industrie adaptiert die Technologie im Höchsttempo.

Spätestens seit das US-Unternehmen OpenAI mit ChatGPT die Welt im Sturm erobert hat, sind sich Marktbeobachter einig: Hier formiert sich eine weltverändernde Technologie. Zur Erinnerung: Nach dem Release im November 2022 dauerte es fünf Tage, bis die Zahl der Nutzer weltweit eine Million überstieg. Schon im Januar 2023 waren es über 100 Millionen. Nie zuvor hat sich eine Technologie so schnell auf dem Erdball verbreitet.

ChatGPT ist ein so genanntes Large Language Model (LLM), in dessen Entwicklung riesige Datenvolumen und die Rechenleistung modernster Großrechner eingeflossen sind. Denn es bedarf vieler Petabytes an Textdaten aus Büchern, Artikeln oder Softwarecode, damit so eine generative KI darin generalisierbare grammatische und semantische Muster und Regeln erkennen und in ihr Sprachsystem integrieren kann. Um menschengleich kommunizieren oder Code generieren zu können, müssen LLM ausgesprochen variabel sein und in ihrem selbstständigen Training die systematische Wahl zwischen einer Vielzahl an Parametern verinnerlichen. „Die Zahl dieser Parameter ist um eine Größenordnung höher als die Zahl der Sterne in unserer Galaxie“, erklärte Marcel Franke, KI-Experte von Microsoft Deutschland, kürzlich auf der 3. Konferenz „AI For Laser Technology“ in Aachen. Trotz dieser Komplexität sei KI kinderleicht und intuitiv bedienbar, weil erstmals nicht mehr der Mensch die Sprache der Maschine lernen muss, sondern diese nun in der menschliche Sprache kommunizieren können. „Weil unsere Sprache als Schnittstelle dient, wird KI zum verständigen Co-Piloten“, erklärte er. Zugleich seien große Sprachmodelle vielfältig einsetzbar und durch Training für spezifische Anwendungen in der Industrie, Verwaltung, im rechtlichen Bereich oder auch in der Forschung und Entwicklung geeignet. „Der Mensch bleibt im Loop und gibt die Richtung vor, die KI assistiert“, beschrieb Franke die künftige Arbeitsteilung.

Maschinen sprechen unsere Sprache und werden zu Partnern

Seine Einschätzung deckt sich mit Analysen des US-Marktforschungsunternehmens Gartner. Dessen „Gartner Hype Cycle“ ist längst ein geflügeltes Wort, das vor dem inneren Auge den typischen Verlauf von Innovationen wachruft: Erst der steile Anstieg des Hypes, gefolgt vom Sturz ins tiefe Tal der Ernüchterung, bevor der zähe Wiederanstieg zum Markterfolg einsetzt.

Auch KI ordnen die Gartner-Analysten Mary Mesaglio und Don Scheibenreif in diesen Zyklus ein. Aktuell sie der Scheitelpunkt der Hype-Kurve erreicht. Und doch sei vieles anders: „KI ist kein normaler Technologietrend. Sie wird unser Leben so tiefgreifend verändern, wie es das Word Wide Web seit 1993 und das Smartphones seit 2007 tun“. Auch sie sehen die Nutzung der menschlichen Sprache als Paradigmenwechsel, der die Partnerschaft und Kollaboration von Mensch und Maschine auf ein neues Niveau hebt. Bis 2030 werden laut ihrer Prognose 80 Prozent aller Menschen weltweit täglich mit smarten Robotern interagieren. Schon 2025 werde KI zur Entwicklung von jeden dritten neuen Medikament und Werkstoff beitragen. Und im Jahr 2024 erwarten sie, dass drei Viertel aller Unternehmen ihre KI-Investitionen steigern.

Franke und sein Microsoft-Kollege Ansgar Heinen berichteten in Aachen von einer enormen Entwicklungsdynamik. KI greife in der Industrie rasend schnell um sich und beschleunige die Automation: Ob Flowchart-Analysen, Softwarecode oder auch die Analyse von Kamera- und Sensordaten in einer Rundum-Prozesskontrolle. Der Einsatz von LLM sorge seit einem Jahr weltweit für ein bisher noch nicht erlebtes Innovationstempo. „Aktuelle Marktanalysen sagen AI im industriellen Umfeld jährliche Wachstumsraten von 50 Prozent vorher“, berichteten sie. Diese Einschätzung decke sich mit ihrem Erleben. „Ich habe in meiner IT-Karriere noch nie eine derart schnelle Adaption einer jungen Technologie erlebt“, berichtete Heinen. Das gelte nicht nur für typische First Mover sondern auch für eher konservative deutsche Unternehmen im Maschinenbau, in der Chemie- und Pharmaindustrie oder im Automobilbau. Die Adaption erfolge im Eiltempo und mache selbst vor weit fortgeschrittenen Entwicklungsprojekten nicht Halt. So habe Mercedes die neue E-Klasse nahezu on-the-fly mit einer sprachgesteuerten KI KI ausgerüstet. Chemiekonzerne nutzen die Modelle zur Verbesserung ihrer Rezepturen und Herstellungsprozesse. Anderswo dienen die intuitiven Sprachschnittstellen zur intelligenteren Verknüpfung von Prozessen oder verbesserter abteilungsübergreifender Kollaboration. Trete in der Produktion ein Problem auf, können es die dort Beschäftigten ihrer Sprache schildern. KI strukturiert und analysiert dann diese Berichte und leitet sie mit konkreten Hinweisen auf mögliche Ursachen an die Teams in Service, Konstruktion und Entwicklung weiter. „AI ist in ein Game-Changer“, erklärte er. Zumal sich der Return of Investment teils innerhalb weniger Monate einstelle.

© Messe München

Weiterführende Links

  • Um die Dimension der Veränderung durch KI zu erfassen, hilft die Eröffnungspräsentation des Gartner IT Symposiums von Mary Mesaglio und Don Scheibenreif (beide sind Gartner Distinguished VP Analysts).
  • Nur fünf Minuten braucht IBM-Experte Martin Keen für seine Einführung in Large Language Models (LLM).