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„Von ganzem Herzen Laserspezialist“

Die junge SI Stuttgart Instruments GmbH hat sich schnell ein hohes Ansehen in der Photonik-Community erarbeitet. Ihr zentrales Produkt ist eine modulare Ultrakurzpulslaser-Plattform mit Durchstimmbereich von 1,35 bis 4,5 Mikrometern. Damit holte das Team den Gesamtsieg beim Innovation Award der LASER World of PHOTONICS 2022. Im Interview spricht Geschäftsführer Dr. Tobias Steinle, der das Spin-off der Universität Stuttgart 2017 mitgründete, über Zielmärkte der ausgezeichneten Laser-Serie, die Rolle von Lasern in wichtigen Zukunftsfeldern sowie über die Startbedingungen für Start-ups in der zunehmend global agierenden Photonikindustrie.

Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Innovation Award 2022. Worin sehen Sie selbst die Stärken Ihrer Alpha-Serie?

Dr. Tobias Steinle: Dankeschön! Die größte Stärke sehen wir in der Flexibilität dieser Plattform sowie in der Stabilität des Lasers und der Reproduzierbarkeit der jeweils angesteuerten Wellenlängen. Wir können die Serie dank ihrer Modularität mit minimalem Aufwand an unterschiedliche Anwendungen anpassen und dafür neben dem Spektralbereich, der Pulsdauer und den Repetitionsraten auch die Leistung an den Bedarf der jeweiligen Anwender adaptieren. Ob sie nun Materialforschung betreiben oder unsere durchstimmbaren Laser in der Mikroskopie oder Spektroskopie einsetzen – unsere Plattform kann sie mit dem exakt passenden Licht versorgen.

Inwiefern ist es modular?

Steinle: Wir bieten Erweiterungsmodule an, mit denen unserer Kunden das ohnehin breit durchstimmbare Spektrum von 1,35 bis 4,5 Mikrometer (µm) ins sichtbare Infrarot ab 0,7 µm erweitern können, im Nahinfrarot-Bereich von 1,07- 1,4 µm forschen oder auch mittlere infrarote Wellenlängen zwischen 4,5 und 20 µm nutzen können. In allen Ausbaustufen haben wir beim Entwickeln das Augenmerk auf ein extrem präzises Durchstimmen der Wellenlängen bei gleichbleibender Pulsform gelegt. Zudem lassen sich einmal ausgewählte Wellenlängen bei Bedarf per Mausklick ebenso präzise wieder anfahren. So ist es möglich, Spektral- und Leistungsverhältnisse in bisher ungekannter Genauigkeit zu wiederholen. Das trägt sehr zur Effizienz von Reihenanalysen und -mikroskopien mit verschiedenen Spektren bei.

Für welche Märkte und Anwendungen sind diese Erweiterungsmodule besonders interessant?

Steinle: Momentan sind wir am stärksten in der universitären Forschung vertreten. Hier sind vor allem Materialstudien zu nennen, in denen insbesondere der mittlere Infrarotbereich gefragt ist. Dabei sind oft Nahfeldmikroskope im Einsatz, die neben Informationen im mittleren IR-Spektrum räumliche Messungen im Nanometerbereich ermöglichen. Das zweite große Einsatzfeld ist die biologische und biomedizinische Bildgebung, die in erster Linie unsere Nahinfrarotlaser nutzt. Mittlerweile blicken wir über die universitären Anwendungen hinaus und arbeiten daran, mit unseren Lasern in der Industrie Fuß zu fassen. Dafür müssen wir die Kosten herunterbringen. Daran arbeiten wir – und es gibt bereits erste Gespräche mit industriellen Anwendern. Auch hier geht es um Materialanalysen und um biomedizinisches Imaging. Prinzipiell ist die hochpräzise und zeiteffiziente Durchstimmbarkeit überall interessant, wo Proben in verschiedenen Wellenlängen analysiert werden oder wo es die Flexibilität des Lasers erlaubt, die Eindringtiefe des Lichts in Gewebe oder Materialien exakt zu steuern.

Diverse Ihrer Veröffentlichungen drehen sich um Plasmonik. Da ist von Nanoantennen, von der Hydrogenographie an Magnesium-Nanopartikeln und aktiven plasmonischen Meta-Oberflächen die Rede. Lag Ihr Fokus schon bei ihrer Gründung 2017 auf diesen Anwendungen?

Steinle: Ehrlicherweise muss ich hier klarstellen: Ich bin kein Plasmonik-Experte. Es ist vielmehr so, dass mein Doktorvater und Mitgründer Prof. Harald Giessen einen Forschungsschwerpunkt in der ultraschnellen Nano-Optik hat. Er leitet das vierte Physikalische Institut der Uni Stuttgart, aus dem unser Spin-off hervorgegangen ist. Wir haben nicht nur von seinem enormen Wissen in der Laserphysik und seinem Netzwerk profitiert. Sondern wir konnten unsere Laser in seinen Plasmonik-Forschungen früh praktisch erproben und optimieren. Das war für uns als Start-up extrem wertvoll, da wir in konkreten Projekten lernen konnten, welche Features Anwender wirklich benötigen – und welche nicht. Letztlich zeugen die Publikationen von Synergien, die sich zwischen der Plasmonik-Forschung und unserer Laserentwicklung ergeben haben. Die Projekte haben beide Seiten vorangebracht.

Meine Frage gilt auch der Interdisziplinarität. Wie tief muss ein innovativer Laserhersteller heute in die Forschungsanwendungen einsteigen, die mit seinen Lasern betrieben werden?

Steinle: Zu unserer Kundschaft zählen absolute Koryphäen mit geballter Expertise. Natürlich können wir nicht jedes Detail verstehen. Aber wir müssen ein durchaus fortgeschrittenes Verständnis für ihre Projekte entwickeln und nachvollziehen, wofür genau sie unsere Laser einsetzen und welche Wellenlängenbereiche und Parameter dabei für sie entscheidend sind. Für uns ist die Frage, wie gemessen und analysiert wird, letztlich relevanter als die Frage, was unsere Kunden messen. Wir möchten ihren Nutzeralltag verstehen, um daraus die Spezifikationen für unsere Laser abzuleiten.

Wie ist das mit den begrenzten Ressourcen eines Start-ups zu schaffen, zumal sie ja nebenher eine Kundenbasis, interne Strukturen und eine finanzielle Basis aufbauen müssen?

Steinle: Der Vertrieb ist tatsächlich einer unserer zeit- und ressourcenintensivsten Bereiche. Aber der Aufwand lohnt sich. Weil wir Anwendern von Anfang an genau zugehört haben, konnten wir unsere Laserplattform genau auf ihren Bedarf hin auslegen. Ein Beispiel ist das präzise Wiederansteuern von Wellenlängen per Mausklick. Diesen Wunsch haben wir wiederholt gehört und dann entsprechenden Entwicklungsaufwand getrieben, um diese Funktion umzusetzen. Bei alledem ist Teamarbeit das A und O. Jede und jeder von uns hat mehrere Aufgaben und übernimmt dafür die Verantwortung. Durch die technologische Tiefe bedingt, ist auch das Wissensmanagement sehr wichtig. Gerade als kleines Team müssen wir unser Know-how klug verteilen und gewisse Redundanzen schaffen, um personelle Ausfälle kompensieren zu können. Auch haben wir uns früh mit Sales- und Marketingspezialisten verstärkt, externe Expertise hinzugezogen und uns um öffentliche Förderung bemüht, wo es möglich war. Denn Laserphysik allein genügt nicht, um ein funktionsfähiges Unternehmen aufzubauen.

Ist die zunehmend globale Photonikbranche aus ihrer Sicht ein gutes Pflaster für Gründungen?

Steinle: Die Photonik kämpft aktuell wie viele andere Branchen mit Lieferkettenproblemen und dem anhaltenden Chip-Mangel. Das merken auch wir – und ich kann mir vorstellen, dass aktuell auch das ein oder andere Gründerteam mit diesen Herausforderungen zu kämpfen hat. Unabhängig davon ist die Photonik eine Branche mit hohem technologischen Anspruch, großer Vielfalt und vielen Nischen. Das sind sehr gute Voraussetzungen für Start-ups mit guten Ideen und dem nötigen handwerklichen Rüstzeug. Wenn sie den Fokus richtig setzen, können auch junge Unternehmen mit vergleichsweise kleinen Teams Nischen besetzen und Kunden schnell echte Mehrwerte bieten. Ich kann generell nur Alle ermutigen, die eine Gründungsidee haben, ihre Ärmel hochzukrempeln und durchzustarten. Mit einer guten Idee, Ehrlichkeit im Umgang mit Kunden und gutem Service auch über übliche Garantiefristen hinaus lässt sich in unserer Branche viel erreichen.

Ihre Laser sind in vielen spannenden Forschungsfeldern mit Potenzial für den gesellschaftlichen Fortschritt im Einsatz. Gibt es Bereiche, die Ihnen besonders am Herz liegen?

Steinle: Ich bin von ganzem Herzen Laserspezialist – und ich freue mich immer, wenn es mit Lasern gelingt, die Grenzen des Machbaren ein Stückchen weiter zu verschieben. Laser sind heute in vielen Bereichen Enabler. Sei es in der Materialforschung für Photovoltaik und Energiespeicher, sei es in der Elektro- und Wasserstoffmobilität oder sei es in der biologischen und medizinischen Forschung und Praxis. Laser helfen in der Pathologie, riesige Probenvolumina schnell und effizient zu mikroskopieren, sind aus der Bildgebung und aus Analysegeräten nicht mehr wegzudenken. Und es gibt noch sehr viel mehr Einsatzfelder, die für die Lösung von Zukunftsfragen hochrelevant sind. Präzisionslaser, wie wir sie bauen, sind ein kleiner, aber wichtiger Teil des Puzzles, um die Forschung und Entwicklung Stück für Stück weiterzubringen. Wir sind 2017 als Unternehmen aufgebrochen, um unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Lasertechnologie immer präziser und zugleich einfacher bedienbar wird. Auch in den 1990er Jahren gab es schon durchstimmbare Laser. Aber damals dauerte es oft mehrere Minuten, die gewünschte Wellenlänge einzustellen – heute genügt ein Mausklick.