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Deutscher Zukunftspreis für Lightsheet-Mikroskopie

Prozesse in lebenden Zellen stunden- oder sogar tagelang verfolgen zu können, ist ein alter Forschertraum. Doch das sehr intensive Laserlicht, das zur Fluoreszenzanregung nötig ist, schädigte die Zellen und beeinflusste die Prozesse. Ein Team von ZEISS hat das Problem gelöst und dafür Ende Oktober den Deutschen Zukunftspreis erhalten.

Schon jetzt zeichnet sich das Potenzial des neuen Mikroskopie-Verfahrens ab. So konnte ein Team von Malariaforschern mit dem nun ausgezeichneten Mikroskopiesystem ZEISS Lattice Lightsheet 7 den Lebenszyklus der Erreger im Detail beobachten und Proteine identifizieren, an denen neue Wirkstoff- und Therapiekonzepte ansetzen können. Auch die Erforschung von Infektions- und Krebserkrankungen stellt der zeitlich und räumlich hochaufgelöste Einblick in stunden- oder sogar tagelange Prozesse lebender Zellen auf eine ganz neue Basis. Denn es ist nun möglich im Detail zu beobachten, wie Zellen auf spezifische Wirkstoffe reagieren oder was geschieht, wenn sie von Viren oder Bakterien gekapert werden. Potenzial hat das neue Verfahren laut Dr. Thomas Kalkbrenner, dem Sprecher des ausgezeichneten ZEISS-Teams, auch beim Einsatz so genannter Organoide. Die in Petrischalen kultivierten Miniaturorgane werden in der Arzneimittelforschung eingesetzt, um die Wirkungen und Nebenwirkungen von Wirkstoffen zu testen. Das Zukunftsversprechen besteht darin, dass durch Versuchsreihen mit Organoiden das Gros der Tierversuche obsolet werden könnte. Das wird allerdings nur dann möglich sein, wenn die lichtempfindlichen Organoide durch das einwirkende Laserlicht weder geschädigt noch in ihrem Verhalten beeinflusst werden. Das Problem: Die Intensitäten der verwendeten Laserstrahlung sind um den Faktor 1000 höher als die der Sonne.

Technologisches Meisterstück

Doch wie genau ist das Forscherteam um Kalkbrenner und seine beiden Kollegen Dr. Jörg Siebenmorgen und Ralf Wolleschensky vorgegangen, um die lebenden Zellen vom Einfluss des intensiven Laserlichts abzuschirmen, das zur Fluoreszenz-Anregung unverzichtbar ist? Anstatt die Zellstrukturen direkt zu belichten, speisen sie das Licht als Lichtblatt (Lightsheet) seitlich senkrecht zum Detektionsobjektiv ein. Schon diese Strategie senkt die Intensität der Einstrahlung ins Gewebe. Um für die Zellbeobachtung benötigte sehr dünne und zugleich lange Lichtblätter zu erzeugen, griff das Team auf Konzepte gitterförmiger Lichtblätter zurück, welche ein räumlicher Lichtmodulator (Spatial Light Modulator, SLM) erzeugt. Dabei rastern Scanner die Gitterstruktur im sogenannten Dithering-Verfahren zu einem glatten Lichtblatt, das dann durch genau den beobachteten Teil der Probe projiziert wird.

Damit hatte das Team allerdings erst die erste Hürde genommen. Da Zellen in Labors rund um den Globus in standardisierten Petrischalen oder auf Multiwellplatten gezüchtet werden, musste das ZEISS-Team die 3D-Langzeit-Zellbeobachtung durch deren Glasboden hindurch möglich machen. Um das mit der Lattice-Lightsheet-Strategie und dem seitlich eingespeisten Laser realisieren zu können, musste das Team die gesamte Anordnung verkippen, was den mikroskopischen Blick durch die Glasböden extrem verzerrte. Fachlicher ausgedrückt kommt es zu Abweichungen im Brechungsindex: Weil die Fluoreszenz von der Probe emittiert wird, durchläuft sie wässrige Zellkulturmedien, das gekippte Deckglas und eine Wasserimmersion, ehe sie das Detektionsobjektiv erreicht. Auch dieses optische Problem haben die Entwickler gelöst. Durch Integration von Freiformoptiken in den Detektionsstrahlengang konnten sie die Verzerrungen und sogar die herstellungsbedingten Formabweichungen der Petrischalen und Multiwellplatten kompensieren.

Stolz auf den Deutschen Zukunftspreis 2022

Dem Team von ZEISS Microscopy ist es gelungen, das hochkomplexe Verfahren in ein leicht bedienbares und kompaktes System mit hohem Automatisierungsgrad zu integrieren. Dafür erhielt es Ende Oktober den Deutschen Zukunftspreis 2022. Nach der Auszeichnung für die Entwicklung der EUV-Lithographie im Jahr 2020 ist es im angebrochenen Jahrzehnt schon das zweite ZEISS-Team, dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den mit 250.000 Euro dotieren Preis überreicht hat. Anlässlich der Preisverleihung sagte Vorstandsmitglied Dr. Jochen Peter, die ZEISS Gruppe sei stolz auf das Team und dessen außerordentliche Entwicklungsleistung für das ZEISS Lattice Lightsheet 7. „Zugleich ist der Preis eine schöne Bestätigung der Innovationskraft unseres Unternehmens, die sowohl den wirtschaftlichen als auch den gesellschaftlichen Fortschritt fördert“, betonte er.

Im Video erklärt Dr. Thomas Kalkbrenner, Teamleiter und Lead Architect R&D Special 3-D bei Carl Zeiss Microscopy, welche Herausforderungen das Team bewältigt hat und welche technologischen und therapeutischen Potenziale das ZEISS Lattice Lightsheet 7 der biologischen und medizinischen Forschung eröffnet.