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„Die Grenzen des Messbaren verschieben“

Dass der Mitgründer eines Start-ups zum Nobelpreisträger avanciert, ist ungewöhnlich. Bei der Menlo Systems GmbH war das 2005 der Fall: Theodor W. Hänsch erhielt vier Jahre nach deren Gründung den Physiknobelpreis für die Entwicklung der Optischen Frequenzkammtechnologie mit Roy J. Glauber und John L. Hall. Heute entwickelt, fertigt und vertreibt Menlo mit über 200 Beschäftigten photonische Highend-Produkte für die Wissenschaft und Industrie. Im aktuellen PHOTONICS-Interview spricht Dr. Gabrielle Thomas, Group Leader Marketing, über ultrastabile Laser und hochsensitive Messsysteme, die in Quantentechnologien, in der Spektroskopie und Mikroskopie sowie in der Astronomie Grenzen des Machbaren verschieben. Zudem erklärt sie, warum Menlo vom 24. bis 27. Juni 2025 sowohl auf der LASER of PHOTONICS als auch auf der World of QUANTUM vertreten sein wird.

Porträtfoto Dr. Gabriele Thomas
© Menlo

Frau Dr. Thomas, können Sie uns die Menlo Systems GmbH kurz vorstellen?

Dr. Gabrielle Thomas: Gerne. Wir haben uns seit unserer Gründung im Jahr 2001 zu einem global agierenden Entwickler und Hersteller von Technologien für die Präzisionsmesstechnik auf höchstem Niveau entwickelt. Im Kern sind das stabilisierte Laser zur Erzeugung optischer Frequenzkämme für ein breites Spektrum an Anwendungen. Es reicht von der Zeit- und Frequenzmetrologie über die hoch aufgelöste Spektroskopie und Zwei-Photonen-Fluoreszenzmikroskopie sowie den 3D-Nanodruck bis hin zu LiDAR oder zum Einsatz in der Astronomie und weltraumgestützten Metrologie. Einen weiteren Anwendungsschwerpunkt haben wir in der Quantentechnologie. Zu unserem Produktportfolio, das wir mit über 200 Beschäftigen entwickeln, fertigen und vertreiben, gehören außerdem Terahertz-Systeme und Femtosekunden-Faserlaser. Viele unserer Beschäftigten bringen einen Hochschulabschluss in der Physik oder im Ingenieurwesen mit – und Leidenschaft für höchst präzise photonische Lösungen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie unsere Kunden in der Industrie mit unseren Lösungen dabei zu unterstützen, die Grenzen des Messbaren immer weiter zu verschieben. Das geht so weit, dass unsere Astro-Kämme heute als wichtige Enabler für die Suche nach Exoplaneten ferner Sterne gelten. Um die Signale kreisender Planeten anhand ihrer spektralen Signaturen zu detektieren, sind extrem rauscharme, hochpräzise Messinstrumente gefragt.

Ihr Mit-Gründer erhielt 2005 den Physik-Nobelpreis für die optische Frequenzkammtechnologie. Wie haben sich optische Frequenzkämme seither weiterentwickelt?

Thomas: Seit der ersten Demonstration vollständig stabilisierter optischer Frequenzkämme sind rund 25 Jahre vergangen. Die Technologie hat sich in dieser Zeit von sehr komplexen und raumgreifenden Systemen, die nur mit enormem Hintergrundwissen bedienbar waren, zu kompakten, schlüsselfertigen Produkten entwickelt. Heute funktionieren optische Frequenzkämme auf Knopfdruck und lassen sich nahezu auf dem Volumen eines Schuhkartons realisieren. Die ersten Systeme haben ganze optische Tische gefüllt. Durch konsequente Industrialisierung bieten heutige Frequenzkämme die notwendige Zuverlässigkeit für den Einsatz in Forschungslabors und High-Tech-Industrien, sind dabei an jeweils spezifische Kundenanforderungen adaptierbar und auch ohne Promotion bedienbar. Es geht darum, dass sich die Anwender voll und ganz auf ihre Ziele und Träume konzentrieren können, anstatt sich mühsam in die Bedienung unsere Systeme einarbeiten zu müssen.

Menlo ist auf Internationalisierungskurs. Welche Rolle spielen Ihre Kooperationen mit Thorlabs und Hamamatsu dabei?

Thomas: Wir sind und bleiben weltweit auf Wachstumskurs. Unsere Beziehungen zu Thorlabs und zu Hamamatsu sind dabei sehr hilfreich, weil beide uns beim Erschließen der Märkte in Nordamerika und Asien wichtige Einblicke und Unterstützung gewähren. Zudem helfen sie uns bei der Entwicklung und Umsetzung unserer strategischen Ziele und inspirieren uns mit ihren Erfahrungen, die sie bereits auf globaler Ebene und in großem Maßstab gesammelt haben. Beide Unternehmen sind übrigens nicht nur Kooperationspartner, sondern auch Shareholder – und damit strategische Partner von Menlo. Uns eint das Ziel, unsere Internationalisierung nachhaltig zu gestalten. Bisher sind wir in den USA, China und Japan, sowie natürlich in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich vertreten.

Können Sie das Anwendungsspektrum dieser Frequenzkämme, die auch als optische Lineale geläufig sind, umreißen?

Thomas: Eine Schlüsselanwendung ist die hochpräzise Spektroskopie, beispielsweise zur Analyse von molekularen Fingerabdrücken mit unseren Mid-Infrarot-Frequenzkämmen. Aber auch für optische Uhren, chemische Sensoren oder die Quantensensorik spielen sie heute eine wichtige Rolle. Und nicht zu vergessen: die Zeitverteilung und -synchronisierung in Großlabors. Das Bild eines optischen Lineals passt. Wenn hochfrequente Wellen über eine Kammstruktur mit höchstpräzisen Abständen zwischen den einzelnen optischen „Zinken“ laufen, lässt sich deren Frequenz sehr genau bestimmen. Genau das machen sich Timing- und Synchronisationssysteme für Großanlagen wie Teilchenbeschleuniger oder geodätische Observatorien zunutze.

Optische Frequenzkämme basieren auf photonischen High-End-Komponenten. Dass sie in der Forschung gefragt sind, leuchtet ein. Aber welche Industrien benötigen so hohe Präzision?

Thomas: Wir registrieren großes Interesse und steigende Nachfrage aus der jungen, gerade erst im Entstehen begriffenen Quantenindustrie, die höchstpräzise Messinstrumente benötigt. Daneben ist sie auf zuverlässige, schlüsselfertige Lösungen angewiesen, um sich auf die eigentliche Nutzung des Lichts für ihre Quantencomputerplattformen, Quantensensoren oder optischen Uhren konzentrieren zu können. Auch die traditionelle Messtechnik dringt heute in den Nano- und teils Sub-Nanometerbereich vor – beispielsweise in der Halbleiterindustrie oder der Fertigung von Highend-Optiken – und benötigt dafür äußerst präzise optische Frequenzkämme.

Inwiefern unterscheiden sich Ihre Lasersysteme für die Quantentechnologie von den Systemen für andere Anwendungsfelder – inwieweit gleichen sie sich aber auch?

Thomas: Ein gutes Beispiel ist die optische Uhr. Das „Pendel“ oder der Oszillator einer optischen Uhr ist ein atomarer Übergang im sichtbaren Teil des Spektrums. Die Zahl der Oszillationen pro Sekunde ist um mehrere Größenordnungen höher als die der Mikrowellenoszillationen von Cäsium-Atomuhren. Mehr Oszillationen führen zu einer höheren Zeitgenauigkeit, wir können die Zeit damit also präziser bestimmen. Um eine solche optische Uhr zu realisieren, benötigt man rauscharmes Dauerstrich- und Kammlicht über einen breiten Frequenzbereich, was mit unserem ultrastabilen Referenzlaser und optischen Frequenzkämmen erreichbar ist. Das stabilisierte Dauerstrichlicht wird für die Spektroskopie der Uhr verwendet. Der optische Frequenzkamm dient dazu, die Stabilität der ultrastabilen Referenz flexibel auf alle benötigten Wellenlängen zu übertragen und die optischen Oszillationen in elektronisch messbare Signale umzusetzen. Andere Anwendungen erfordern vielleicht nicht dieses hohe Maß an Präzision und Flexibilität, müssen aber zuverlässig, kompakt und einfach zu bedienen sein. Letztlich können wir bei der Konfiguration von Systemen für alle Anwendungswelten auf unseren modularen Komponentenbaukasten zurückgreifen.

Zur Messung in den Quantentechnologien sind wahrscheinlich ähnlich sensitive, rauschfreie Instrumente gefragt wie zum Aufspüren von Exoplaneten. Sind die Messaufgaben im Nano- und Makrokosmos vergleichbar?

Thomas: Es gibt auf jeden Fall Gemeinsamkeiten! Rauschen oder auch systematische Fehler können Messungen unbrauchbar machen oder Messsignale stark verfälschen. Wer einen aus der Entfernung winzigen, um einen fernen Stern kreisenden Exoplaneten anhand eines periodisch wiederkehrenden, aber sehr schwachen Signals identifizieren möchte, muss dieses Signal zweifelsfrei von einer großen Vielfalt an anderen gemessenen Signalen unterscheiden können. Ähnlich komplex ist die Lage in der Quantentechnologie wie bei optischen Uhren, wo spezifische Wellenlängen und Stabilitäten in der Größenordnung von 10-18 erforderlich sind. Präzision ist in beiden Bereichen der Schlüsselfaktor - aber es gibt auch große Unterschiede. Daher ist es wichtig, das Problem individuell für die jeweilige Messaufgabe zu verstehen. Unser AstroComb arbeitet im 10- bis 25-Gigahertzbereich und liefert ein sehr flaches optisches Spektrum über einen sehr weiten Wellenlängenbereich. Darin unterscheidet er sich doch recht deutlich von den Lösungen, die beispielsweise für optische Uhren im Einsatz sind.

Menlo war sowohl auf der LASER World of PHOTONICS als auch auf der World of QUANTUM 2023 vertreten. Sehen Sie die Quantentechnologien bereits als eigenständigen Markt?

Thomas: Im Jahr 2023 haben wir den 50. Geburtstag der LASER World of PHOTONICS gefeiert. Da liegt die World of QUANTUM ein wenig im Rückstand. Aber dieser Markt entwickelt sich zusehends und hat mittlerweile ein Niveau erreicht, auf dem wir ihn als unabhängigen, eigenständigen Zielmarkt für unsere Lösungen sehen. Die Photonik und insbesondere die Lasertechnik liefern die Key Enabling Technologies, die es für eine kontinuierliche, erfolgreiche Weiterentwicklung dieses Marktes braucht. Die Laser- und die Quanten-Community gehören zusammen und ich sehe uns als eine fantastische, wachsende Gemeinschaft. Es ist eine Freude, ein Teil davon zu sein. Darum wird Menlo auch 2025 auf beiden Messen vertreten sein, weil wir uns beiden Communities zugehörig fühlen und mit unseren Lösungen zum Fortschritt in beiden Welten beitragen möchten.