„Bisher geltende Auflösungs- und Präzisionsgrenzen in der industriellen Messtechnik verlieren ihre Gültigkeit, wo die Integration von AI und digitalen Methoden optische Instrumente intelligent macht“, erklärt Jörg Seewig. Zusammen mit Pietro Ferraro leitet er die Optical Metrology 2025. In unserem Interview stellen beide die wichtigsten Trends und Highlights der Konferenz vor.
Dr. Pietro Ferraro, Forschungsdirektor am Institut für angewandte Wissenschaften und intelligente Systeme „Eduardo Caianiello“ ISASI-CNR, in Pozzuoli, Italien
Prof. Jörg Seewig; Leiter des Lehrstuhls für Messtechnik und Sensorik (MTS) der Technischen Universität Kaiserslautern, Deutschland
Wo setzt die SPIE Optical Metrology 2025 die inhaltlichen Schwerpunkte?
Ferraro: Die SPIE Optical Metrology Conference 2025 richtet den Fokus auf fortschrittliche Ansätze und neueste Anwendungen der optischen Messtechnik. Das Programm spannt den Bogen von der industriellen Inspektion über innovative Anwendungen in der Biophotonik bis hin zum Monitoring von Ökosystemen und Umweltveränderungen.
Seewig: Bei den industriellen Anwendungen gibt es Schwerpunkte in der Präzisionsfertigung und fortschrittlichen Materialcharakterisierung. Daneben geht es um neue Ansätze in der 3D- und Oberflächenmesstechnik, der Interferometrie, Deflektometrie und um den zunehmenden Einsatz von Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning (ML). Ein wesentlicher Teil des Programms widmet sich der In-situ- und Echtzeit-Messtechnik für intelligente Fabriken und die Qualitätskontrolle in anspruchsvollen Umgebungen. Hier wächst nicht nur der Bedarf, sondern auch das Angebot an Lösungen.
Ferraro: Das gilt auch für die optischen Methoden in der Biophotonik – ob Einzelzellanalyse oder innovative fleckenfreie Methoden der Durchflusszytometrie. Hier haben wir Vorträge zur digitalen Holografie und interferometrischen Ansätzen, mit denen einerseits eine quantitative Phasenbildgebung (QPI) und andererseits markerfreie Untersuchungen von einzelnen Zellen und deren Dynamik machbar sind. Auch um neuartige optische Methoden zur markerfreien Zellsortierung und -charakterisierung mit hohem Durchsatz wird es gehen. Die Schwerpunkte in diesem Bereich liegen zudem auf Fortschritten der optischen Mikroskopie – hier vor allem die Superauflösungs-, Lichtblatt- und korrelative Mikroskopie. Wir sehen spannende Ansätze zur synergetischen Integration mit quantitativen messtechnischen Methoden für umfassende biologische und histopathologische Gewebeanalysen.
Seewig: Dieses Jahr kommt ein besonderer Schwerpunkt hinzu: „umweltfreundliche“ und nachhaltige Technologien auf Grundlage von Optik und Photonik. Das reicht von moderner optischer Sensorik und Bildgebung zur Überwachung mariner und aquatischer Ökosysteme über das Schadstoffmonitoring bis zur Bewertung von Umweltveränderungen. Es zeigt sich, dass die optische Messtechnik und Photonik wichtige Beiträge zur nachhaltigeren Zukunft leisten können.
Gibt es in Ihrem Segment der Photonik spannende Technologietrends?
Seewig: Auf jeden Fall. Unsere Plenarvorträge werden sie thematisieren. Prof. Wolfgang Osten richtet das Augenmerk auf die messtechnischen Herausforderungen, die in der rasch fortschreitenden Miniaturisierung bei zugleich immer komplexeren Messaufgaben sowie Messobjekten mit ständig erweiterter Funktionalität liegen. Diesen Herausforderungen stellt sich die optische Messtechnik, was sie zu wichtigen Triebkräfte für Innovationen macht. Wir bewegen uns heute an physikalischen Grenzen und können die mithilfe digitaler Methoden teils überwinden – etwa bei optischen Auflösungen oder bei Messgenauigkeiten im sub-Nanometerbereich. In seinem Plenarvortrag wird er die kontinuierliche Weiterentwicklung optischer Verfahren mit immer höherer räumlicher und zeitlicher Auflösung, Präzision, Robustheit und zugleich zunehmender Automation, Prozessfähigkeit und Nähe zum Fertigungsprozess thematisieren.
Ferraro: Den zweiten Plenarvortrag hält Prof. Alberto Diaspro. Er konzentriert sich auf die Fortschritte hochentwickelter optischer Mikroskope in Nanoskalen und insbesondere auf die Konvergenz von fluoreszenz-basierten superauflösenden Methoden, auf die quantenoptische Mikroskopie und markerfreie Techniken. Hier spielt der Aufstieg der multimodalen optischen Mikroskopie mit zunehmendem AI-Einsatz eine zentrale Rolle. Wir erleben den Aufbruch zur „intelligenten Mikroskopie“. Die Integration der Fluoreszenzlebensdauer-Bildgebung, der nichtlinearen Mikroskopie (u.a. Multiphotonenanregung) oder von Polarisationsmethoden wie die Mueller-Matrix-Mikroskopie ermöglicht es, immer mehr quantitative Informationen aus biologischen Proben zu gewinnen. AI und die Verfügbarkeit von Einzelphotonen-Detektoren verändern die Mikroskopie grundlegend. Es entstehen nun robuste virtuelle Umgebungen für bisher kaum denkbare Visualisierungen.
Seewig: Um es zusammenzufassen: Bisher geltende Auflösungs- und Präzisionsgrenzen in der industriellen Messtechnik verlieren ihre Gültigkeit, wo die Integration von AI und digitalen Methoden optische Instrumente „intelligent“ macht. Gleiches gilt für neuartige multimodale und markerfreier Mikroskopie-Verfahren. Wir erleben einen von AI und der Einzelphotonen-Detektion getriebenen Paradigmenwandel in der Mikroskopie, durch den wir aus optischen Daten immer mehr quantitative und qualitative Informationen gewinnen können.
Auf welche Konferenzhighlights möchten Sie die LASER-Community hinweisen?
Ferraro: Neben den Plenarvorträgen sehe ich unsere Social and Networking-Sessions als Highlights. Neben dem traditionellen Bier- und Bretzel-Event möchte ich unsere Angebote an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler hervorheben. Darunter ein Panel, in dem erfahrene Fachleute oft sehr persönliche Rückblicke auf ihre Karrieren in der Optik und Photonik teilen und junge Leute an ihren Erfahrungen und dem dabei Gelernten teilhaben lassen.
Seewig: Ich freue mich sehr auf unsere Joint Session mit der Digital Optical Technologies Conference. Denn es ergeben sich immer mehr thematische Überschneidungen und sehr konkrete Schnittstellen und Synergien zwischen unseren Disziplinen. Und natürlich wird es ein Highlight sein, all die bekannten und hoffentlich vielen neuen Gesichter von Fachleuten aus aller Welt zu sehen, die Ende Juni zum World of Photonics Congress und zur Laser World of Photonics nach München strömen. Wir erleben aktuell einen Innovationsschub, der jede Menge Gesprächsstoff liefert.
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