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AI beflügelt die digitale optische Photonik

Im Interview verströmen die Konferenzleiter der Digital Optical Technologies, Bernard Kress und Prof. Jürgen Czarske, Aufbruchstimmung. Die Konferenz ist diesmal größer denn je und behandelt eines der dynamischsten Innovationfelder der Photonik, in dem es zunehmend gelingt, physikalische Grenzen zu umgehen.

Dr. Bernard C. Kress, Leiter Optische Technologien – AR Hardware bei Google, Mountain View Kalifornien, USA

Prof. Jürgen Czarske, Direktor BIOLAS – Biomedical Computational Laser Systems Center und Leiter des Instituts für Schaltungen und Systeme der Technischen Universität Dresden, Deutschland sowie assoziierter Professor für Optische Wissenschaften, Tucson, USA

Wo setzt die SPIE Digital Optical Technologies 2025 die inhaltlichen Schwerpunkte?

Czarske: Zunächst einmal ist die Konferenz deutlich gewachsen. Wir haben sehr viel mehr Präsentationen als beim letzten Mal. Wir haben drei ganze Konferenztage…

Kress: …und einen breiten technologischen Fokus. Ich sehe unsere Konferenz daher als Plattform, auf der es um verschiedenste Ansätze und Anwendungen aus dem weiten Feld digitaler optischer Technologien geht. Das reicht von digitalen und optischen Hardware-Bausteinen wie integrierten Waveguides, Mikrooptiken, Hologrammen, digitalen Schaltungen oder miniaturisierten Strahlquellen bis zu Anwendungen von Augmented, Virtual und Mixed Reality (AR/VR/MR) oder zur digital-optischen Messtechnik und medizinischen Bildgebung. Die Technologieplattform ist in dreierlei Hinsicht digital: Erstens nutzt sie digitale Methoden im Systemdesign und in der Produktentwicklung; hier sehen wir einen starken Trend hin zur Artificial Intelligence (AI). Zweitens nimmt der Einsatz digitaler Fertigungsverfahren zu, hier zuvorderst die Mikrolithografie für den Bau integrierter Schaltungen. Und drittens ist auch der Betrieb digital, weil die Systeme digital geschaltet und gesteuert werden, Software immer höhere Beiträge zur Systemintelligenz leistet und Systeme gerade in den Silicon Photonics zunehmend digital integriert und implementiert sind. Das führt zu der thematischen Breite unseres Programms. Zugleich ist eine ungeheure Dynamik zu beobachten. Technologien, für die unsere Community in den letzten beiden Jahrzehnten die Basisarbeit geleistet hat, wachsen nun zusammen und entfalten ihr Potenzial.

© TU Dresden

Von außen wirkt es so, als würden die Intelligenz und Präzision zunehmend von der optischen Hardware hin zur Software übergehen. Ist dieser Eindruck richtig?

Kress: Da ist auf jeden Fall etwas Wahres dran. Heutige Sensoren müssen keine gestochen scharfen Bilder und Signale mehr liefern, sondern Daten, denen Software spezifische, im jeweiligen Augenblick benötigte Informationen entnimmt – ob die Geschwindigkeit, Position, Richtung oder was auch immer. Fortgeschrittene (AI)-Algorithmik erlaubt es in vielen Fällen, weniger komplexe und damit kostengünstigere Optiken einzusetzen. Wir sprechen in diesen Fällen von Computational Imaging und Sensing. Das ist ein sehr vielversprechender Ansatz.

Czarske: Das ist richtig. Zugleich lassen sich mithilfe digitaler optischer Technologien heute Anwendungen realisieren, die vor zehn Jahren undenkbar waren. Wir sehen unter anderem eine neue Generation von optischen Computern, die digital-by-design sind und dank des AI-Einsatzes völlig neue Funktionen ermöglichen. Mit Aydogan Ozcan hält ein Pionier dieser Entwicklung den Plenarvortrag. Er spricht darüber, wie sich programmierte Lichtbeugung für die Informationsverarbeitung und computergestützte Bildgebung nutzen lässt. Hierfür braucht es in erster Linie intelligente Optik: aufwändig designte miniaturisierte diffraktive Elemente, die mithilfe von AI in mehreren Schichten in räumlich gedachte Metaoberflächen integriert sind – und damit ein physisches neuronales Netzwerk bilden. Das ist höchst komplex und zeigt, dass der Eindruck nur bedingt richtig ist. Auch in AR/VR/MR-Bereich kommen sehr spezielle, durchaus intelligente Optiken zum Einsatz. Und in der Biomedizin lösen digitale optische Verfahren Durchbrüche aus. Denken Sie an die Gen-Editierung, an miniaturisierte Endoskope oder an das Live-Imaging aus lebenden Zellen mit marker-freien Verfahren. Es ist, wie Bernard es eben formuliert hat: die Technologien der drei Säulen digitales Design, digitale Fertigung in Nanoskalen und digitaler Betrieb wachsen zusammen und entfalten – angetrieben von AI – ungeheures Potenzial. Der gesellschaftliche Nutzen ist nicht nur in der Medizin groß: Auch das Internet der Dinge, drahtlose 6G-Netzwerke, AR/VR/MR im Remote Service und im kollaborativen Engineering, immer effektivere Qualitätskontrollen, die in der Halbleiterfertigung bis in den Sub-Nanometerbereich vordringen und Prozesse in Echtzeit in der Fertigungslinie kontrollieren, um nur einige zu nennen. Die Digital Optical Technologies 2025 führt Entwicklungen zusammen, die aktuell branchen- und applikationsübergreifend zu einem nachhaltigen Paradigmenwandel führen. Das sind keine Eintagsfliegen. Sondern wir sehen einen umfassenden technologischen Wandel.

Kress: Gut gesagt, Jürgen! Und ich möchte hinzufügen, dass wir im optischen Engineering bis vor 20 Jahren davon ausgegangen sind, dass optische Verfahren durch physikalische Gesetze wie den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, hier insbesondere die Entropie, die Erhaltung der Étendue (Ausdehnung) und die Beugungsgrenze (Auflösungsgrenze optischer Systeme aufgrund der Beugung von Lichtwellen) limitiert sind. Es galt als ausgeschlossen, Optiken weiter zu miniaturisieren oder optische Systeme mit noch höheren Auflösungen zu realisieren. Das war für traditionelle Ansätze der Optik richtig. Aber mit der Digitalen Optik sind diese Limitierungen obsolet. Wir können diese Gesetze sowohl in der zeitlichen als auch in der räumlichen Sphäre umgehen. Wir bringen also Licht in die dunklen, unzugänglichen Flecken und schaffen damit in vielen Bereichen einen rasanten Wissenszuwachs. Das macht unsere Konferenz so aufregend. Es ist so eine ungeheure Dynamik zu beobachten. Unsere Community erntet nun die Früchte langer harter Arbeit.

© Bernard Kress

Ist also die digitale optische Photonik selbst der spannende Trend?

Czarske: Wir können die physikalischen Gesetze umgehen! Sie bleiben gültig, verlieren aber ihre Wirksamkeit. So finden Verfahren wie die digitale Holographie, die lange als Spielwiese der akademischen Forschung galt, den Weg in die Märkte. Dieser Trend ist von der Photonik getrieben, Sie ermöglicht die notwendigen Computerleistungen, Datenübertragungsraten und Auflösungen. Damit entfaltet sich eine wirklich aufregende Vielfalt an Applikationen. Wer sich anregen lassen und einen Überblick über dieses hochdynamische Feld gewinnen möchte, ist auf unserer Konferenz richtig. Zumal Pioniere und Akteure aus allen drei Säulen Vorträge in unseren Sessions halten – darunter viele international führende Vertreter aus Industrie und Forschung. Die Digital Optical Technologies Conference ist vom Geist der Kooperation und Diskussion und offenem Austausch getragen.

Kress: Wir können die physikalischen Gesetze umgehen, weil wir tiefes Systemverständnis entwickelt haben. Algorithmen helfen uns, auf Basis dieses Wissens bisher dunkle Flecken auszuleuchten. Auch die Superauflösungs-Mikroskopie verändert nicht die Beugungsgrenze, sondern umgeht diese trickreich. Mit Algorithmen ist es möglich, zwischen der zeitlichen und räumlichen Domäne zu wechseln und in Verbindung mit vorhandenem Systemverständnis zu extrapolieren, was uns mit rein optischen Methoden verborgen bleibt. Wir sind heute in der Lage, die Synergien zu heben und die Building Blocks der verschiedenen Anwendungsfelder immer wieder aufs Neue miteinander zu kombinieren. Wir sehen in unserem Feld keinen Boom, sondern eine stetige, mittlerweile immer steilere Wachstumskurve.

Was heißt das für Nachwuchskräfte, die Sie Ihre Konferenz ja explizit anspricht?

Czarske: Mit digitalen optischen Technologien können sie nichts falsch machen. Es lohnt sich, die technologische Entwicklung seit der Entwicklung des CD-Players zu verfolgen, die Grundlagen der AR/VR/MR-Technologie zu erschließen oder zu ergründen, wie 6G, neueste Imaging-Ansätze in der Medizin oder Messverfahren in der Halbleiterbranche funktionieren. Denn die Basis beruht jeweils auf der Kombination digitaler und optischer Lösungen. Diese wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer mehr Raum einnehmen. Dies auch, weil wir integrierte Photonik und optische Datenverarbeitung brauchen, um den Strombedarf von AI-Rechenzentren in den Griff zu bekommen, aber auch für neuartige Endomikroskope oder Waveguides auf Chips und in AR-Brillen. Übrigens: Bernard hat auch mich persönlich mit der Konferenz zur digitalen Photonik gebracht. Ich habe seinerzeit festgestellt, dass die Designs in der AR/VR/MR-Technologie mit unseren Designs für medizinische Instrumente vergleichbar sind – und es hier mit Sicherheit spannende Synergien gibt.

Kress: Es ist ja auch kein wirklich neuer Trend. In den 1990er Jahren war das optische Computing in aller Munde. Man ging davon aus, das herkömmliche Prozessoren an eine Frequenzgrenze stoßen. Heute arbeiten selbst Smartphone-Prozessoren mit weit höheren Frequenzen als die damals postulierten 500 MHz. Doch die damaligen Konzepte optischer Computer werden jetzt hochrelevant. Denn ihr Zero-Emission-Ziel kann in der ITK-Branche nur mit optischen Lösungen erreichen. Der große Vorteil: Die Building Blocks dafür sind in den letzten beiden Jahrzehnten zur Reife gekommen. Wenn mich Talente fragen, ob sie in unserem Technologiefeld eine Zukunft haben, kann ich das nur bejahen. Es gibt so viele Ideen, so viel Nachfrage, so dringenden Bedarf an Lösungen, dass ich sie nur ermutigen kann, auf die digitale optische Plattform aufzuspringen.

Auf welche Konferenz-Highlights möchten Sie die LASER-Community hinweisen?

Kress: Wir haben eine wunderbare Soiree im Augustiner Stammhaus, zu der wir herzlich einladen. Das ist ein schöner Rahmen, um gleich zu Beginn der Konferenz ins Gespräch zu kommen. Auch unserer Bier&Brezel-Events und nicht zu vergessen, die Poster-Sessions bieten die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch. Unsere Community lebt davon! Es sind die persönlichen Begegnungen, das ungefilterte Austauschen von Ideen und Erfahrungen und das Zusammenbringen von Wissen, das sie auch für mich selbst so wertvoll macht. In dem Zusammenhang ist auch unser Kursprogramm interessant. Es bietet nicht nur fachlich einen Einstieg, sondern hilft beim Aufbau von Netzwerken. Hierfür ist es auch sehr wertvoll, dass zeitgleich und direkt nebenan die LASER, die World of Quantum und die automatica stattfinden. Zwischen dem Kongresspublikum und der Teilnehmenden der Messen gibt es einen lebendigen Austausch. Die Hersteller und Entwickler der Building Blocks, auf denen unsere Technologieplattform aufbaut, kommen im Juni in München zusammen.

Czarske: Einen fachlichen Höhepunkt erwarte ich auch von unserer Joint Session mit der Optical Metrology Conference. Die Messtechnik ist eine absolut unverzichtbare Ergänzung zu digitalen optischen Technologien. Nicht zufällig war es 2015 Wolfgang Osten, von dem der Impuls zur Gründung unserer Konferenz ausgegangen ist. Er hat die Leerstelle erkannt, weil er die Dynamik der digitalen optischen Technologien antizipiert hat. Es kann gar nicht genug betont werden, was Wolfgang für die Entwicklung der Metrologie und der Photonik insgesamt getan hat. Er wird die Joint Session mit einem Plenarvortrag eröffnen, in dem er über das breite Spektrum der optischen Messtechnik sprechen und seinen Rückblick auf deren Erforschung werfen wird. Ich bin sehr gespannt!

Kress: Tatsächlich gäbe es unsere Konferenz nicht ohne Wolfgangs Impuls. Er hat mich angesprochen, zur Gründung ermutigt und uns sehr unterstützt. Aber ich möchte auch auf den zweiten Plenarvortrag der Joint Session hinweisen. Alberto Diaspo spricht darin über ‚Das intelligente Mikroskop im Nanobereich: Multimodale Mikroskopie von Fluoreszenz bis hin zu markierungsfreien Verfahren‘ – und das wird mit Sicherheit ein weiterer Höhepunkt!

Zum Programm der SPIE Digital Optical Technologies 2025 geht es hier.

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