Fortschritt in den Life Sciences ist eng mit der Weiterentwicklung photonischer Komponenten verknüpft. Präzise Lichtquellen, Photodioden, Photonenzähler und CMOS-Sensoren gewähren der medizinischen und naturwissenschaftlichen Forschung tiefe Einblicke in die Bausteine des Lebens. Ob PCR-(Polymerase Chain Reaction)-Tests zum Corona-Nachweis, DNA-Sequenzierung, Blutanalytik per Durchfluss-Zytometrie oder OCT- (Optical Coherence Tomography)-Gewebeuntersuchungen: der technologische Kern ist photonisch. Im Interview sprechen die Medizintechnik/Biophotonik-Experten der HAMAMATSU PHOTONICS Deutschland GmbH, Philip Waldner und Tina Urbanek, über die Rolle von Optoelektronik und Photonik in der medizinischen Innovation, den Impact von Covid-19 auf ihr Geschäftsfeld und über aktuelle Technologietrends in der medizinischen Bildgebung.
Philip Waldner: Wir sind ein globales Unternehmen mit Hauptsitz im japanischen Hamamatsu und Niederlassungen in den USA, Asien und diversen Standorten in Europa. Von unseren knapp 5.300 Beschäftigten arbeiten 120 in Deutschland. HAMAMATSU PHOTONICS entwickelt und produziert Photodioden, Lichtquellen und weitere photonische und optoelektronische Komponenten, die wir an ein branchenübergreifendes Kundenspektrum liefern. Zu unseren wichtigsten Zielmärkten zählen die chemische Analytik und Medizintechnik sowie der Automobilbau und die Sicherheitstechnik. Unsere Forschung, Entwicklung und Produktion betreiben wir vor allem in Japan. In Europa haben wir einen starken technischen Vertrieb und Service sowie Softwareteams. Wir liefern unseren Kunden nicht nur Standardprodukte, sondern unterstützen sie bei der Integration unserer Komponenten und Module und passen diese an ihre spezifischen Anforderungen an.
Waldner: In erster Linie verstehen wir uns als Komponentenzulieferer. Wir erzielen weltweit 40 Prozent unseres Umsatzes in der Medizintechnik; 27 Prozent entfallen auf Komponenten für die Röntgentechnik und 13 Prozent auf Lösungen für Laborgeräte. In beiden Märkten tragen unsere Kunden spezifische Anforderungen an uns heran, an die unser Engineering unsere Produkte entsprechend adaptiert. Übrigens sind unsere Lösungen auch in der Röntgentechnik vor allem photonisch. So wandeln unsere Szintillatoren Röntgenstrahlung in sensorisch detektierbares Licht. Diese Wandlung geschieht in einer kristallinen Szintillator-Schicht, die wir in Halbleitersensoren integrieren. Diese Sensoren werden heute weltweit in Röntgengeräten eingesetzt.
Tina Urbanek: Das Herzstück von qPCR-Geräten ist eine optische Einheit, die fluoreszierende oder kolorimetrische Signale detektiert, die von spezifischen Molekülen der Viren ausgehen. Weil das Signal von vereinzelten Viren in den Proben zu schwach ist, werden sie – vereinfacht gesagt – per Polymerase Chain Reaction unter optimalen Temperaturbedingungen über mehrere Messzyklen hinweg vermehrt. Da diese Vermehrung exponentiell verläuft, wird das Fluoreszenzsignal bei positiven Proben mit jedem Zyklus stärker. Zur Detektion sind Silizium-Photodioden, Kameras und Spektrometer im Einsatz. Wir steuern modulare Multi-Pixel-Photonenzähler (MPPC), Photosensormodule und CMOS-Kameramodule bei, die die Fluoreszenzsignale aufzeichnen. Wir liefern das nötige photonische Know-how, während die medizinisch-analytische Kompetenz bei unseren Kunden liegt.
Waldner: Dass wir zuletzt 13 Prozent unserer weltweiten Umsätze mit Komponenten für Laborgeräte erzielt haben, ist durchaus auch auf die gestiegene Nachfrage nach verlässlicher Technik für den Covid-19-Nachweis zurückzuführen. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in diesem Marktsegment nehmen zu. Auch Antigentests, andere Flüssigkeitsanalyseverfahren und nicht-invasive Messmethoden stehen im Fokus, für die wir photonische und optoelektronische Hightech-Komponenten anbieten. Auch wenn sie schon heute ein breites Einsatzspektrum hat, bleibt die Photonik eine Zukunftstechnologie, die den medizinischen Fortschritt antreibt. Von Röntgen und anderen bildgebenden Verfahren über die Blutanalytik per Durchfluss-Zytometrie, die in-vivo-Gewebeuntersuchung per OCT- (Optical Coherence Tomography) oder die mittlerweile unverzichtbaren DNA-Sequenzierung…
Urbanek: Entscheidend ist das Signal-Rauschverhalten. Bei unseren MPPC handelt es sich im Prinzip um Silizium-Photomultiplier; also Halbleitertechnik. Wir bauen hier auf sehr langer Erfahrung auf. Die Ursprünge unseres Unternehmens liegen in der Vakuumröhrentechnologie für Fernseher, die wir schon vor Jahrzehnten für Photomultiplier nutzbar gemacht haben. Weil sich diese zum Nachweis geringster Lichtmengen eignen, ist unser röhrenbasierter Ansatz weiterhin gefragt. Für Laborgeräte, in denen der Bauraum begrenzt ist, haben wir dieses Knowhow zudem auf die Halbleiter-Technologie übertragen. Unsere MPPC haben einen hohen internen Verstärkungsfaktor, zeichnen sich durch minimales Rauschen sowie durch hohe zeitliche Auflösung und wegen des Multi-Pixel-Sensors durch hocheffiziente Photonendetektion aus. Das ist der Schlüssel zur präzisen Fluoreszenzdetektion.
Urbanek: Wir registrieren steigende Nachfrage nach Lösungen, die mobile Diagnostik und Analytik am Point-of-Care ermöglichen. Deshalb liegt einer unserer F&E-Schwerpunkte auf miniaturisierten Modulen und Komponenten. Halbleiter-MPPC als Alternative zum Röhren-Photomultiplier sind ein gutes Beispiel. Gleiches gilt für unsere Mini-Spektrometer und viele weitere optischen Sensoren.
Waldner: Interessant ist auch die Entwicklung mobiler Röntgengeräte, mit denen Patienten im OP oder im Krankenbett geröntgt werden können. Für die angesprochene mobile Gasanalytik bieten wir ein sehr breites Spektrum an Detektoren mit optischen Filtern. Hier ist vielleicht auch der kleinste wellenlängengefilterte Quantenkaskadenlaser im Markt erwähnenswert, den unsere F&E-Kollegen in Japan letzten Sommer vorgestellt haben. Mit Außenmassen von 13x30x13 mm misst er ein Hundertfünfzigstel seines Vorgängers und eignet sich hervorragend für mobile Analysegeräte. Aktuell wird er beim Nachweis von Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff in Vulkanausgasungen erprobt. Regelmäßiges Gasmonitoring könnte der Schlüssel zur Früherkennung von Ausbrüchen sein.
Waldner: In der Humanmedizin und bei anderen bildgebenden in-vivo-Verfahren geht der Trend dahin, mit immer geringeren Strahlungs- und Lichtintensitäten immer bessere Signale und höhere Bildqualitäten zu erzielen. Zudem sind für möglichst schonende diagnostische Verfahren nicht-invasive Methoden gefragt. Beide Trends erfordern es, sehr schwache Lichtsignale zu detektieren. Genau daran arbeiten wir. Es geht darum, das Signal-Rauschverhältnis so zu optimieren, dass auch mit sehr geringer Lichtintensität klare Auswertungen möglich werden. Dafür bedarf es rauscharmer Hardwarelösungen, die in der Lage sind, die eingehenden Signale nicht nur zu erkennen, sondern direkt im Sensor zu verstärken. Das setzt viel photonisches, optoelektronisches und materialwissenschaftliches Know-how voraus, das HAMAMATSU seit 1953 aufbaut.