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Ausgezeichnete Innovationen

Im Zuge der LASER World of PHOTONICS wurde im April der Innovation Award 2022 an Produkte und Verfahren in sechs Kategorien verliehen. Genaueres Hinsehen lohnt sich, zumal der Innovation Award 2023 mit großen Schritten näher rückt.

Gefühlt sind die LASER World of PHOTONICS 2022 und die Monate danach wie in Zeitraffer vorbeigezogen. Es lohnt sich, besondere Momente noch einmal Revue passieren zu lassen. So auch die Verleihung des Innovation Award gleich am ersten Messetag im April. Aus gut 50 eingereichten Innovationen hatte die elfköpfige Jury zunächst 17 Finalisten* ausgewählt. Nun gehörte die Bühne den Top-Innovatoren der sechs Einzelkategorien und den Gesamtsiegern von SI Stuttgart Instruments, deren durchstimmbare Ultrakurzpuls-Laserplattform Alpha die Jury restlos überzeugte und auch die Kategorie Laser und Optoelektronik für sich entschied. Mehr über die Plattform und das Stuttgarter Start-up erfahren Sie im aktuellen PHOTONICS Interview mit SI-Geschäftsführer Dr. Tobias Steinle.

Einzelnen Photonen auf der Spur

In der Kategorie Quantentechnologien fiel das Jury-Votum auf ultraschnelle, supraleitende Nanodrahtdetektoren des Genfer Unternehmens ID Quantique (IDQ). Mit seinen Parallel-Pixel-Detektoren in der ausgezeichneten IDQ-Serie ID281 betritt das Unternehmen Neuland in der Einzelphotonenmessung. Denn statt der herkömmlichen supraleitenden Nanodraht-Einzelphotonendetektoren (SNSPD), deren Photonennachweis aufgrund von sogenannten Pile-up-Effekten – also Photonenhäufung – an den Detektoren begrenzt ist, verbindet IDQ in der patentierten Technologie ein Array von SNSPDs parallel an einer Ausleseschaltung. Das senkt die Wahrscheinlichkeit von Photonen-Pile-ups an einem Pixel und zudem ermöglicht es die parallele Schaltung, mehr als ein Photon je Detektionsvorgang aufzulösen. Laut IDQ profitieren Anwender von unvergleichlich präzisem Timing, äußerst niedrigem Rauschen und einem latch-freien Betrieb. Jeder ihrer Detektoren, von denen bis zu 16 in das ID281-System integrierbar sind, kann zugleich acht Photonen unterscheiden; in Summe also 128 Photonen. In Verbindung mit pikosekundengenauem Time-Tagging birgt diese Lösung großes Potenzial für Quantencomputer und -kommunikation, hochpräzise LiDAR-Systeme, Spektroskopie im infraroten Wellenlängenbereich sowie für Fluoreszenzlebensdauer-Messungen.

© ID Quantique

Dass auch die in der Kategorie Biophotonik und Medizintechnik siegreiche Kamera mit ihrem qCMOS-(quantitative CMOS)-Sensor dazu in der Lage ist, die Anzahl der bilderzeugenden Photonen exakt zu messen, zeugt vom rasanten Fortschritt wissenschaftlicher Kameras. Die Sensitivität der ORCA-Quest von Hamamatsu Photonics rührt vom minimalen Rauschen der inhouse entwickelten Ausleseelektronik her. „Es liegt unter 0,3 Elektronen rms – laut Kamera-Spezifikation sind es sogar 0.27 e- rms“, erläutert Dr. Sebastian Beer von Hamamatsu Photonics Deutschland. Unterhalb dieser Schwelle könne die Photonenzahl hochpräzise aufgelöst werden, was die hohe Sensitivität selbst bei geringster Signalstärke begründe. Neben der Photonenzahl-Auflösung nennt der Experte weitere Highlights der ausgezeichneten 9,4 Megapixel-Kamera: ihre hohe Quanteneffizienz und Geschwindigkeit sowie ihre Belichtungszeiten von bis zu einer halben Stunde. Die ORCA-Quest hat auch nach Einschätzung der Jury das Potenzial, Grenzen in der Mikroskopie und in den Quantentechnologien zu verschieben. Für Letzteres ist es unter anderem interessant, dass mit dieser Kamera exakte und parallelisierte Beobachtungen von Quantenzuständen möglich sind, weil sie die emittierte Lichtmenge von Ionen und neutralen Atomen quantitativ abbildet und zusätzlich eine örtliche Auflösung ermöglicht. Mögliche weitere Anwendungsfelder der ORCA-Quest sieht Beer aufgrund ihres weiten Sichtfeldes und ihrer Sensitivität auch in der astronomischen Forschung und in den Biowissenschaften.

Multilaserverfahren markiert schneller

Hoch aufgelöst sind auch die individualisierten Beschriftungen und 2D-Barcodes, welche die Top-Innovation der Kategorie „Lasersysteme für die industrielle Fertigung“ in verschiedenste Materialien einbringt. Das gekürte Multilaser-Verfahren des französischen Anbieters QiOVA versieht Metalle und Edelmetalle, Kunststoffe oder auch technische Gläser mit teils nur 500 Mikrometer (µm) kleinen 2D-Barcodes. Für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar birgt so eine Markierung einen individualisierten fälschungssicheren Satz an jederzeit auslesbaren Informationen. Statt einen einzelnen Laserstrahl per Scanoptik über die Oberfläche wandern zu lassen, setzt QiOVA im prämierten Multibeam-Verfahren auf eine hocheffiziente Lösung: Die Markierung erfolgt mit einem einzigen Laserpuls. Dafür leitet ein Array simultan dutzende Strahlen auf das Werkstück. Dieser softwaregesteuerte Prozess versieht bis zu 20 Produkte pro Sekunde mit individuellen 2D-Codes. Ohne die Individualisierung steigt der Durchlauf auf bis zu 1.000 Codes pro Sekunde. Herzstück der Lösung sind sogenannte Flüssigkristall-auf-Silizium-Lichtphasenmodulatoren (LCOS-SLM), welche die Laserstrahlen umlenken. Wie ein virtuelles Hologramm strukturiert diese Phasenmodulation die Lichtintensität im Fokus der Fokussierungslinse. Dank der Hightech-Strahlführung und des stempelartigen Markierens mit einem Laserpuls erreicht das Verfahren sehr hohe Qualität und Lesbarkeit der Codes. Zugleich wird der Energieeintrag in die Materialien minimiert, was für sensitive Oberflächen wichtig ist. Angesicht des steigenden Bedarfs an Track & Trace-Lösungen und des Trends zur Produktindividualisierung in der Industrie 4.0 birgt das Multilaser-Verfahren des Teams um Geschäftsführer Florent Thibault großes Zukunftspotenzial.

Quarzglas gegossen und 3D-gedruckt

Während das QiOVA-Verfahren auch Gläser ohne Mikrorisse markieren kann, haben die Preisträger in der Kategorie „Optik und Fertigungstechnik für die Optik“ ein Verfahren zur Reife gebracht, um Quarzglas bei niedrigen Temperaturen per Spritzguss und 3D-Druck in Form zu bringen. Das neuartige und bereits patentierte Verfahren der Glassomer GmbH hat nicht nur den Vorteil großer Designfreiheit bei zugleich hochpräziser Umsetzung. Sondern der Bearbeitungsaufwand wird durch den neuen Ansatz massiv reduziert. „Die Herstellung von Quarzglas war bislang schwierig, weil der Schmelzpunkt sehr hoch und das erkaltete Glas sehr hart ist. Es lässt sich praktisch nur mit diamantbesetzten Köpfen bearbeiten“, so Thomas Fujimoto aus dem Vertrieb und Business Development des Freiburger Start-ups. Das Team geht einen anderen Weg. Es versetzt reinstes Quarzglaspulver mit organischem Binder. Zum 3D-Drucken entsteht so ein flüssiges Basismaterial und für den Spritzguss ein Granulat. Ist es in die gewünschte Form gedruckt oder gegossen, durchlaufen die Bauteile einen zweistufigen Entbinder- und Sinterprozess, der den Binder entfernt und die Glaskörper verdichtet. Das Ergebnis: Hochtransparente Quarzglas-Komponenten, die dank der variablen präzisen Formgebung sehr glatte Oberflächen mit minimalen Reflexionsverlusten aufweisen. Hinzu kommt laut Fujimoto, dass der Energieaufwand auf ein Bruchteil der herkömmlichen Verfahren sinkt. Zielmärkte sieht das Team in der Optik und Medizintechnik sowie im Solar- und Automotive-Bereich.

Laserakustische Schweißpunktkontrolle

Auf Anwender in der Automobilindustrie zielt auch die XARION Laser Acoustics GmbH mit der Top-Innovation in der Kategorie „Imaging, Sensorik, Mess- und Prüftechnik und Optische Mess-Systeme“ ab. Die Wiener haben ein Laser-akustisches Verfahren zur robotergestützten Schweißpunktprüfung entwickelt. Herzstück ist in diesem Fall XARIONs optisches Mikrofon – ein miniaturisiertes Fabry-Pérot Etalon, mit dem sich winzige, durch Schallwellen bedingte Veränderungen des Luft-Brechungsindex messen lassen. Das eröffnet einen gänzlich neuen Weg zur berührungslosen Ultraschallprüfung von Schweißpunkten. Bisher werden diese im Rahmen der Qualitätssicherung unter Einsatz von Kontaktgel manuell geprüft. Doch weil es an Fahrzeugkarosserien jede Menge Schweißpunkte gibt, ist ein automatisiertes Verfahren gefragt. XARION integriert dafür das optische Mikrofon und einen fasergekoppelten Laser in einen kaum streichholzschachtelkleinen Prüfkopf. Der Laser löst eine breitbandige geführte Ultraschallwelle aus. Durchläuft sie den Schweißpunkt, dann detektiert das optische Mikrofon berührungsfrei den an die Luft abgestrahlten Ultraschall. Defekte Schweißpunkte identifiziert das Messsystem anhand des veränderten Schallbilds.

Der kompakte Prüfkopf ermöglicht auch Messungen in schwer zugänglichen Bereichen. XARION hat die Methode in Kooperation mit dem Automobilhersteller Porsche entwickelt. Doch auch die Luft- und Raumfahrt – jüngst ging eines der Prüfsysteme an Airbus – und die Halbleiterindustrie zeigen großes Interesse. Zumal sich mit der berührungslosen akustischen und vollautomatisierbaren Qualitätsprüfung auch Defekte im sub-Millimeterbereich erkennen lassen. Das ausgezeichnete Team hebt zwei weitere Vorteile ihres Verfahrens hervor: „Das System arbeitet mit einer sonst unerreichten Toleranz, was eine wichtige Voraussetzung für den robotergestützten Einsatz ist. Die Messungen sind auch dann zuverlässig, wenn eine Fehlausrichtung um mehrere Millimeter vorliegt“. Neben dieser Robustheit gebe es enorme finanzielle Vorteile gegenüber den bisherigen manuellen Prüfmethoden. „Dank des erhöhten Prüfdurchsatzes und entfallender Personalkosten sinken die Prüfkosten teils um den Faktor zehn“, berichtet XARIONs Project Manager Application Development, Dr. Josef Pörnbacher.

Innovation Award 2023 steht vor der Tür

Schon der Schnelldurchlauf der sechs prämierten Produkte und Verfahren zeigt, welches innovative Potenzial die Photonik birgt. Sie ist Enabler des Fortschritts in verschiedensten Branchen und Forschungsfeldern. Neben den vorgestellten Preisträgern gab es elf weitere Finalisten und mehr als 30 weitere Einreichungen. „Dieses quantitativ und qualitativ hohe Niveau möchten wir beim nächsten Innovation Award, den wir im Zuge der LASER World of PHOTONICS von 27. bis 30. Juni 2023 wieder gemeinsam mit unserem Partner EUROPA SCIENCE ausrichten, natürlich sehr gerne halten“, erklärt Projektleiterin Anke Odouli. Alle Aussteller seien herzlich eingeladen, ihre Neuentwicklungen einzureichen.

Mehr Infos dazu finden Sie hier.