Der Deutsche Zukunftspreis 2024 ging kürzlich an drei Forscher von ams OSRAM und des Fraunhofer IZM für die Entwicklung einer Lichtquelle auf Basis von 25.600 einzeln ansteuerbaren µLEDs. Ihr „digitales Licht“ macht Automobilscheinwerfer smarter und effizienter – und könnte bald Anwendung in Augmented Reality-Brillen, rein optischen Computerprozessoren und in der Datenübertragung finden.
Der Weg war voller technologischer Hürden. Doch keine davon konnte Dr. Norwin von Malm, Stefan Grötsch und Dr. Hermann Oppermann von der Idee ihres smarten, energieeffizienten Automobilscheinwerfers abbringen: Dieser macht das manuelle Schalten zwischen Abblend- und Fernlicht überflüssig, indem er das Fahrzeugvorfeld auf Basis seiner digitalen Steuerung dynamisch ausleuchtet ohne entgegenkommende Verkehrsteilnehmer dabei zu blenden. Der Scheinwerfer ist mittlerweile ein erfolgreiches Serienprodukt – und hat dem Forschertrio von ams OSRAM International in Regensburg sowie dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin Ende November den Deutschen Zukunftspreis 2024 aus den Händen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingebracht.
Herzstück des neuartigen, digital gesteuerten Scheinwerfers ist eine Multi-Pixel-Lichtquelle mit 320 x 80 Pixeln auf 41 Quadratmillimetern segmentierter LED-Fläche; jede dieser 25.600 Segmente misst 40x40 µm und ist einzeln ansteuerbar. Das erlaubt es, jene Pixel dynamisch abzuschalten, die den Gegenverkehr potenziell blenden. Es ist auch möglich, Piktogramme auf die Straße zu projizieren, etwa um vor Glatteis oder Geisterfahrern zu warnen. Außerdem kann der Scheinwerfer den Lichtkegel auf die Breite des eigenen Fahrzeugs reduzieren und so das Durchfahren von Autobahnbaustellen und anderen Engstellen spürbar erleichtern.
Um das „digitale Licht“ zu realisieren, mussten die Teams um von Malm und Grötsch bei ams OSRAM und Oppermann am Fraunhofer IZM wiederholt technologisches Neuland betreten. Angefangen mit der µm-Segmentierung des LED-Chips in über 25.000 elektrisch und optisch vereinzelte Segmente, deren Fläche die Forscher im Entwicklungsprozess von 1 mm² auf 40 µm² reduzieren konnten. Die Miniaturisierung dient dem Zweck, den ausleuchtbaren Bereich mit minimalem Einsatz an teuren, präzise positionierten Optiken zu maximieren. Der Haken: Aufgrund des winzigen Formats der Segmente schied das übliche seitliche Kontaktieren der LED aus. Das Team hat stattdessen eine LED-Architektur entwickelt, in der die Kontakte auf die Unterseite verlegt sind. Dort wird jedes Segment mechanisch, thermisch und elektrisch an eine strukturierte Verbindungsschicht angekoppelt, über die es mit einer ebenfalls neuen elektronischen Schaltung einzeln ansteuerbar ist. Diese individuelle Ansteuerung erlaubt es, die Scheinwerfer energieeffizient zu betreiben. Alternative: Eine dauerhaft mit voller Leistung leuchtende Lichtquelle punktuell abzuschatten oder Teile des Lichts per Mikrospiegel-Array umzulenken. In beiden Fällen verpufft viel Lichtwirkung in Form von Wärme, die es aus dem miniaturisierten System abzuführen gilt. Mit der neuen Lösung leuchten jeweils nur die Pixel, die gerade benötigt werden – alle anderen bleiben aus.
Die Treiber- und LED-Chips werden im Schichtverbund auf CMOS-Wafern aufgebaut. Das ist der Schlüssel zur kosteneffizienten Fertigung der Multi-Pixel-Lichtquelle und die mit Blick auf den Serieneinsatz nötige Zuverlässigkeit. Die Voraussetzung dafür hat das Fraunhofer IZM mit einer Direktverbindung der zwei Halbleiterschichten mit einem Gold-Zinn-Lot geschaffen. Diese ist unabdingbar, da sich LED- und Treiberschicht unter Wärmeeinfluss unterschiedlich stark ausdehnen. Daher braucht jedes LED-Segment einen eigenen elektrischen Schaltkreis und eine eigene Wärmeabfuhr. Mit herkömmlichen Kabelverbindungen wäre es undenkbar, mehr als 1.000 dieser kombinierten Treiber- und LED-Chips auf einem Wafer zu fertigen, von denen jeder einzelne aus 25.600 µm-Segmenten besteht.
Neben dem hohen Entwicklungsbedarf bei der elektronischen Verschaltung unterhalb der lichtemittierenden Halbleiterschicht gab es für das Team auch oberhalb eine hochkomplexe Herausforderung: Damit der Scheinwerfer weißes Licht erzeugt, müssen die eingesetzten im blauen Wellenlängenbereich emittierenden LED mit einem Leuchtstoff beschichtet werden, der Teile des blauen Lichts absorbiert und in gelbes Licht wandelt. Durch die Mischung von gelbem und blauem Licht entsteht für das menschliche Auge der Eindruck weißen Lichts. Das allein wäre in der LED-Herstellung keine Neuerung. Doch brauchte es im Fall der miniaturisierten Scheinwerfer-Lichtquelle aus zweierlei Gründen einen neuen Ansatz: Einerseits werden die LED-Schichten auf einem Wachstumssubstrat aufgebaut und danach mit der elektronischen Treiberschaltung verbunden. Dieses Wachstumssubstrat ist transparent – und wäre bei einer einzelnen LED kein Problem. Doch bleibt das Substrat vor der Beschichtung mit dem gelben Leuchtstoff auf den segmentierten LEDs, dann entfaltet es Streuwirkung: Statt des einzelnen Segments leuchtet der ganze Bereich. Das Team hat dieses Problem photonisch gelöst: Ein eigens entwickelter schonender Laser-Prozess trägt das Wachstumssubstrat im Vorfeld der Beschichtung ab, ohne die Verbindung zur Treiberschaltung über Gebühr zu belasten.
Doch das allein reichte nicht. Auch die im LED-Bereich üblichen Schichtdicken erwiesen sich als unpraktikabel für die Beschichtung der µm-Segmente. Denn auch sie sorgten dafür, dass statt einzelner Pixel ganze Bereiche leuchteten. Das Team hat dieses Problem mithilfe eines neuen Leuchtstoffs und eines modifizierten Beschichtungsprozesses gelöst. Der Leuchtstoff basiert auf sehr viel feineren Farbpartikeln und lässt sich im neuen Verfahren hauchdünn auf der segmentierten LED-Oberfläche abscheiden. Dadurch leuchten wirklich nur noch einzelne Pixel.
Auf dem Weg von der Idee zum Serienscheinwerfer hat das ams OSRAM Kernteam um von Malm und Grötsch neben dem Fraunhofer IZM auch das Silizium- und Elektronik-Know-how von Infineon, die Scheinwerfer-Kompetenz von Hella und den Automobilkonzern Daimler als Systemintegrator zu Rate gezogen. Zwischenzeitlich trieb dieses Konsortium die Entwicklung im BMBF-Förderprojekt „µ-AFS“ voran, aus dem 2016 ein voll funktionsfähiger Prototyp mit einem segmentierten LED-Chip auf einem Silizium-Treiber hervorging. Die Basis war damit geschaffen. Seither haben die Teams um das nun mit dem Deutschen Zukunftspreis gekürte Forschertrio die damalige Lichtquelle mit 1.024 Pixeln auf 4x4 mm² auf den heutigen Stand (25.600 Pixeln auf 41 mm² LED-Fläche) fortentwickelt und zugleich den Bedarf an Bauraum, Kühlung und Projektionsoptiken minimiert. Durch die digitale Steuerung ist es unter anderem auch möglich, die Scheinwerfer per Software an die regionalen Regularien zu adaptieren, sei es an den Links- oder Rechtsverkehr oder an die verschiedenen Regelwerke in der EU und den USA.
Doch nicht nur für Automobilscheinwerfer ist das digital steuerbare Licht interessant. Auch für die Projektoren in Augmented-Reality-(AR)-Brillen sind die flexiblen, miniaturisierten und höchst energieeffizienten LED-Lichtquellen sehr interessant. Das Gleiche gilt nach Einschätzung der drei Preisträger für die Datenkommunikation zwischen Servern oder Computer-Chips. Hier ließe sich ihre Technologie nutzen, um die segmentierten LED-Chips in Arrays zu integrieren. Diese könnten künftig riesige Datenmenge in Form zweidimensionaler QR-Codes in optische Kabel einspeisen. Bei rein optischen Computer-Prozessoren könnte dieser Ansatz dazu dienen, im Wechselspiel von LED-Pixeln und Fotodioden neuronale Netze in Form von Licht zu realisieren. In diesen Anwendungen ließen sich nicht nur höhere Bandbreiten und bessere Rechnerperformances erreichen, sondern auch der stark steigende Energiebedarf moderner Höchstleistungsrechenzentren minimieren. Beim Automobilscheinwerfer lässt sich der Vorteil bereits beziffern: Statt 60 bis 70 W bei dauerhaft leuchtenden LED-Scheinwerfern nimmt die neuartige Technologie im Mittel nur noch 19 W auf. In der Spitze können es auch 40 W sein, die dann aber dank der aktiven Ansteuerung maximale Lichtausbeute versprechen.